Kosovo: „Der Schaden für Serbien ist groß“

(c) AP (Darko Vojinovic)
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In Belgrad wird der Boykott westlicher Waren und Dienstleistungen gefordert. Doch mehr als ausländischenFirmen könnte die gegenwärtige Krise Serbien selbst schaden.

Wien/Belgrad. Erneut war am Freitag in Belgrad nach nächtlichen Krawallen das Zusammenkehren von Scherben angesagt. Und erneut waren vor allem Filialen westlicher Firmen ins Visier der nationalistisch aufgepeitschten Zerstörungswut geraten, darunter auch fünf Raiffeisen-Filialen. „Jetzt ist es soweit. Man kann österreichischen Firmen nicht mehr sagen, dass es ganz unbedenklich ist, in Serbien Geschäfte zu machen“, sagt Tijana Jocic, Österreichs Vize-Handelsdelegierte in Belgrad. Diese Botschaft habe sie gestern der serbischen Seite übermittelt. „Und es bedarf eines deutlichen Statements der hiesigen Regierung, dass österreichische Investments geschützt sind.“

Viel mehr als die zerstörten Auslagen machen den in Serbien aktiven österreichischen Firmen die vermehrt artikulierten Boykottaufrufe Sorgen: Auf Flugblättern wird ein Boykott westlicher Waren und Dienstleistungen gefordert. Sogar ein Staatssekretär hat erklärt, sein Konto bei einer österreichischen Bank gekündigt zu haben.

„Wir fürchten Boykott nicht“

Gerade von einem Boykott im Dienstleistungssektor wären österreichische Firmen stark betroffen: Raiffeisen, Erste, Volksbank und Bank Austria (als Unicredit) sind große Player am serbischen Bankensektor. Sehr engagiert sind auch Versicherungen (Uniqa, Wiener Städtische, Grazer Wechselseitige). Dass sie in Serbien so erfolgreich Geschäfte machen, ist leicht erklärt: Viele Menschen sehen ihr Geld bei westlichen, international agierenden Instituten schlicht und einfach in besseren Händen.

„Wir fürchten den Boykott nicht“, sagt eine serbische Sprecherin der Volksbank auf Anfrage der „Presse“. Schließlich seien 99,9 Prozent ihrer Mitarbeiter selbst Serben. Sie erwartet eher ein baldiges Abflauen der Emotionen. Michael Palzer, Sprecher der Raiffeisenbank, stößt ins selbe Horn. „Österreichische Unternehmen sind ein wichtiger Faktor in der serbischen Wirtschaft.“ Gerade Raiffeisen habe sich nach der Unabhängigkeit rasch das Vertrauen von mittlerweile 500.000 Kunden erarbeiten können. Trotzdem wurden während der Demonstrationen in der Nacht auf Freitag fünf Filialen der serbischen Raiffeisen-Tochter attackiert. „Der Sachschaden ist glücklicherweise gering“, beruhigt Palzer. Einige Scheiben gingen zu Bruch, mittlerweile seien alle Filialen wieder in Betrieb.

Oliver Rögl, Chef bei Raiffeisen in Serbien, fordert klare Maßnahmen seitens der serbischen Regierung. Die Vorkommnisse dürften nicht länger verniedlicht werden. Schließlich hänge die Zukunft Serbiens stark von Investitionen aus dem Ausland ab, sagt er.

„Manche Geschäfte werden laufen, manche vielleicht ein bisschen schwieriger, manche Geschäfte werden nicht passieren“, orakelte kürzlich Goran Bradic, Botschaftsrat an der Belgrader Vertretung in Wien. Doch dass österreichische Firmen längerfristig im Privatisierungsprozess und bei Aufträgen das Nachsehen haben, glaubt man bei der Wirtschaftskammer weniger: Dass Österreich Kosovo anerkennen würde, sei ja schon länger bekannt gewesen: Und hat nicht verhindert, dass bei der Privatisierung der Kupfermine RTB-Bor die A-Tec zum Zuge kam, gegen den russischen Konkurrenten Oleg Deripaska. Und Russland steht in der Kosovo-Frage immerhin stramm hinter Serbien.

Investoren zögern

Weniger als österreichische Firmen könnte Serbien vom wirtschaftlichen Fallout der politischen Krise getroffen werden: „Der Schaden für Serbien durch die Bilder der letzten Tage ist mittlerweile groß“, sagt Jocic. Zahlreiche Firmen, die überlegten, in Serbien einzusteigen, hätten innegehalten. Dennoch ist man an der Außenhandelsstelle nicht pessimistisch: „Serbien ist nach wie vor ein sehr interessanter Markt, auch wegen der gut ausgebildeten Bevölkerung.“ Und man glaube noch immer, „dass die Serben die derzeitigen Sicherheitsprobleme in den Griff bekommen können.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.02.2008)

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