Landwirtschaft: Slowakische Osterlämmer für Italien

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Ohne den Export zehntausender Lämmer nach Italien wäre die Schafzucht in der Slowakei mangels Inlandsnachfrage längst unrentabel geworden.

Pressburg. Sabinov, ein vergessenes Städtchen im wirtschaftlich rückständigen Nordosten der Slowakei mit einer der höchsten Arbeitslosenraten des Landes. Eine schmucke spätgotische Kirche, ein Krankenhaus, eine städtische Unterkunft für Problemfamilien. Das Arbeitsamt ist eines der auffallendsten Gebäude am Hauptplatz.

Eine Landwirtschaftsschule und eine Handelsakademie erlauben die stolze Selbstbezeichnung Schulzentrum der Region. Wer zumindest den Umgang mit dem Internet beherrscht, findet die Arbeitsmarktangebote für die ganze Slowakei gleich auf der städtischen Homepage – direkt über dem Busfahrplan.

Doch vor Ostern ist Hochsaison in Sabinov – dank einer der mittlerweile meistbeachteten Geschäftsideen für die slowakische Landwirtschaft. Von 5. bis 18. März läuft der Ankauf von zigtausenden Lämmern aus fast der ganzen Slowakei für den Export nach Italien. Die traditionellen Lämmer für den italienischen Ostertisch werden teils auch lebend aus der Slowakei geliefert, die meisten werden aber hier in Sabinov und im nordwestslowakischen Púchov geschlachtet.

Lammfleisch galt in den kargen Gebirgslandschaften der Slowakei seit jeher als größter Leckerbissen. Aus Schafsmilch werden bis heute traditionelle slowakische Nationalgerichte hergestellt. Und dennoch wäre die Schafzucht, die jahrhundertelang ganze Generationen von Slowaken ernährte, wohl längst schon unrentabel geworden, wenn es nicht die Jahr für Jahr zunehmende österliche Nachfrage aus Italien gäbe. Rund 99 Prozent der gesamten Schafproduktion der Slowakei gehen laut der staatlichen Nachrichtenagentur TASR gegenwärtig in den italienischen Export. Der kleine Rest wird nach Tschechien, Österreich und Deutschland verkauft.

Kaum Nachfrage im Inland

Der Inlandsabsatz ist hingegen seit kurz nach der Wende 1989/90 praktisch auf Null gefallen. Die Slowaken verbrauchen laut Statistiken nur mehr rund ein Viertelkilogramm Schaf- und Lammfleisch pro Person und Jahr.

Das sei sogar noch deutlich weniger als dem EU-Durchschnitt entspreche, bedauern Funktionäre des Schafzüchterverbandes gegenüber der tschechischen Nachrichtenagentur CTK. Klagen können sie trotzdem nicht. Denn trotz des im Vergleich zum Vorjahr um fünf Prozent gestiegenen Kurses der slowakischen Krone und großer Ängste vor zunehmender Konkurrenz aus Rumänien habe man sogar noch den an die Bauern gezahlten Preis in Kronen von 85 auf 90 Kronen (derzeit 2,7 Euro) pro Kilogramm anheben können.

„Unser Lammfleisch ist gesund und leicht verdaulich, aber billig ist es auch für italienische Verhältnisse nicht, geschweige denn für Slowaken“, gibt sich Juraj Karnis vom Agrokombinat Sabinov gegenüber der Tageszeitung „Nový Cas“ nüchtern. Die Supermärkte stillen die fleischlichen Genüsse der Slowaken viel billiger mit in Massenverarbeitung hergestelltem Schweine-, Rind- und Putenfleisch. Da können die meist kleinen und in schlecht zugänglichen Schafzuchtbetriebe nicht mithalten.

Dank des Exports nach Italien lohnt sich für die Slowakei trotzdem noch ein Schafbestand von etwas über 300.000 Tieren (Stand Ende 2007). Allein die Zahl der Lämmer, die heuer zu Ostern nach Italien exportiert werden, dürfte mehr als 100.000 betragen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.03.2008)

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