Balkan: Kosovo: Die harte Realität der blühenden Energie-Fantasien

Der jüngste Staat der Welt träumt davon, Energie-Exporteur zu werden.

WIEN (go). Es könnte alles so schön sein: Kosovo sitzt auf den fünftgrößten Braunkohle-Vorkommen der Welt, die man in modernen Kraftwerken umweltschonend verstromen könnte. Und weil im benachbarten Albanien gerade ein Wasserkraftwerk mit einem doppelt so hohen Leistungspotenzial des österreichischen Speicherkraftwerks Kaprun entsteht, könnte auf dem Balkan bald ein munterer Stromhandel beginnen. Und Kosovo sogar Energie exportieren.

Soweit der Traum, der am Mittwoch in Wien bei einem Seminar über Investitionschancen in der kosovarischen Bergbau- und Energiewirtschaft beschworen wurde.

Die Realität sieht anders aus.Zwar rühmen sich kosovarische Politiker und Wirtschaftslobbyisten des Umstandes, dass der Kosovo getreu der EU-Vorgabe den Stromversorger KEK von der Leitungsgesellschaft KOSTT getrennt hat. Doch verfügt die KOSTT nur auf dem Papier über die Hochspannungsleitungen, wie auch Blerim Rexha, der stellvertretende Minister für Bergbau und Energie, am Mittwoch auf Nachfrage eines anwesenden Stromhandel-Fachmannes zugeben musste.

Das klingt verwirrend, ist aber einfach erklärt: Wer dem Kosovo Strom verkauft, gibt diesen an den serbischen Stromkonzern Elektroprivreda Srbije (EPS) ab. Denn der verfügt (ein Relikt aus der gemeinsamen jugoslawischen Geschichte) über die Kapazitäten des kosovarischen Hochspannungsnetzes und versteigert diese unter den interessierten Bietern. Das gilt für alle Hochspannungsleitungen nach Albanien, Mazedonien und Serbien.

Serbien: Nichts zu verschenken

Was also will die kosovo-albanische Regierung tun, um Herrin dieser wichtigen Infrastruktur zu werden? Enteignen wird sie Serbien kaum können. Zu verschenken hat das arme Serbien wohl auch nichts – und schon gar nicht an die Kosovo-Albaner. „Wir bemühen uns um eine Lösung. Wann wir sie haben, weiß ich nicht“, sagte Vizeminister Rexha.

Der Stromhandel mit dem wasserreichen Albanien, der die Fantasie so manches österreichischen Energiekonzerns anregt, dürfte übrigens auch nicht so schnell ins Laufen kommen, wie das in Hochglanzbroschüren und bei Bilanzpressekonferenzen dargestellt wird. Albanien ist nämlich nicht Mitglied der „Union für die Koordinierung des Transports von Elektrizität“, kurz: UCTE. Albanien kann nämlich die Kontrolle der Frequenzen nicht gewährleisten. Also nicht sicherstellen, dass die Wasserkraftwerke nicht plötzlich zu viel Strom erzeugen und so die internationalen Netze überlasten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.05.2008)

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