Voest-Stahlwerk: Constanta hat Super-Karten

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Der Linzer Konzern hat sich eine Option auf ein Grundstück in der rumänischen Hafenstadt am Schwarzen Meer gesichert. Dort gibt es optimale Bedingungen für die Milliarden-Ansiedlung.

Linz/Constanta. Vier Länder rittern um die größte Investition der Voestalpine im nächsten Jahrzehnt: Der Linzer Stahlkocher prüft derzeit je einen Standort in Bulgarien, Rumänien, der Ukraine und der Türkei für ein neues Stahlwerk. Investitionssumme: Mindestens fünf Mrd. Euro. Hatten Insider bisher angesichts der Unsicherheit in der EU-Klimapolitik – die Voest ist von der CO2-Problematik extrem betroffen – die Nicht-EU-Länder Türkei und Ukraine favorisiert, so scheint nun überraschend doch ein EU-Land im Standort-Wettbewerb vorne zu liegen: Rumänien.

Die Voest hat sich nämlich in der Hafenstadt Constanta am Schwarzen Meer eine Kaufoption auf einen Teil eines insgesamt 700 Hektar großen Betriebsareals gesichert. Dies berichtet die englischsprachige rumänische Zeitung „Business Standard“. Voest-Sprecher Peter Schiefer bestätigt dies auf „Presse“-Anfrage. Wegen der massiven Immobilien-Spekulationen in Rumänien habe man rasch handeln müssen, damit der Preis nicht in die Höhe getrieben werden könne. Laut „Business Standard“ hat die Voest 22 bis 29 Euro pro Quadratmeter geboten, weit mehr als etwa in Bulgarien. Die Vorstellungen der Grundstück-Eigentümer sollen allerdings bei 120 bis 200 Euro liegen.

Entscheidung im Herbst

Als Vorentscheidung für Rumänien will Schiefer den Grundstückkauf jedoch nicht verstanden wissen. In den anderen drei Ländern sei diese Vorgangsweise einfach nicht notwendig, dort würde man das Grundstück vom Staat kaufen. „Noch sind alle vier Länder im Rennen“, sagt er der „Presse“. Die technische Planung für das neue Stahlwerk sei großteils fertig, auch die Wirtschaftlichkeitsprüfung liege im Endstadium. Wie geplant, beginnt im Herbst die heiße Phase der Entscheidung. Sollte die Fabrik doch nicht nach Rumänien kommen, sei die Investition nicht verloren, denn man könnte dort andere Projekte ansiedeln, so Schiefer.

Hinter den Voest-Kulissen werden Constanta aber sehr wohl beste Chancen eingeräumt. „Die Lage ist logistisch perfekt“, heißt es. Das Areal im Gemeindegebiet von Agigea, einer Art Vorort von Constanta, ist etwas größer als jenes in Linz, wenn auch kleiner als die Maximal-Variante von 1000 Hektar. Es liege jedoch unmittelbar neben dem Hafen, womit lange Zufahrtwege gespart werden. Constanta bietet zudem zwei Transportwege: Über das Schwarze Meer und über die Donau, deren Mündung nicht weit von der Stadt entfernt ist. Diesen Vorteil haben die anderen drei Länder nicht.

Gegen Rumänien spreche nur ein Punkt: Die EU-Klimapolitik, heißt es. Sollte Brüssel tatsächlich seine Pläne dahingehend realisieren, dass die Industrie ab 2012 CO2-Zertifikate zukaufen müssen, dann mache dies den milliardenschweren Bau eines Stahlwerks im EU-Raum obsolet. Voest-General Wolfgang Eder hat wiederholt die Klimapläne der EU scharf kritisiert und die EU zu einer Modifikation aufgefordert. Er schlägt eine Art „Bonus-Malus-System“ vor. Die effizientesten Produzenten – dazu gehört die Voest – würden demnach Emissionsrechte gratis zugeteilt bekommen, die „Dreckschleudern“ würden zur Kassa gebeten.

10.000 neue Arbeitsplätze

Rumänien umwirbt die Linzer Stahlkocher intensiv. Rumäniens Ministerpräsident Calin Popescu Tariceanu, der vor kurzem die Voestalpine besucht hat, soll dem Projekt maximale Unterstützung zugesagt haben. Immerhin würde die Investition laut „Business Standard“ rund 10.000 neue Jobs in der von Arbeitslosigkeit geplagten Region schaffen. Es wäre das größte Stahlwerk des Landes. Diesen Titel trägt bisher die zu Arcelor-Mittal gehörende Anlage in Galati, die eine Jahreskapazität von 4,7 Mio. Tonnen hat.

Laut Monica Barbuletiu, Vizepräsidentin der Nationalen Agentur für Ausländische Investitionen (ARIS), ist die Machbarkeitsstudie seit Anfang Juni fertig. ARIS verhandle seit neun Monaten mit der Voest. „Sie sind an jedem Detail interessiert“, sagt Barbuletiu im „Business Standard“. Das gehe so weit, dass sich die Voestalpine beim Bildungsministerium nach der Schaffung von Sprachkursen in Constanta erkundigt habe.

Die Voest ist in Rumänien bereits durch die britische Tochter Elmsteel aktiv, die in einer Fabrik in Satu Mare im Norden des Landes jährlich 50 Million Stahlfelgen für die Autoindustrie produziert.

Auf einen Blick

Die Voestalpine prüft vier Standorte in Rumänien, Bulgarien, der Türkei und der Ukraine für ein neues Stahlwerk mit einem Investitionsvolumen von gut fünf Mrd. Euro. Offiziell ist noch keine Entscheidung gefallen, aber intern werden der rumänischen Hafenstadt Constanta beste Karten eingeräumt. Dort hat sich die Voest nun ein 700 Hektar großes Grundstück gesichert. Der einzige Nachteil des EU-Mitglieds Rumänien ist die EU-Klimapolitik.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.07.2008)

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