„Verlust der Euro 2012 wäre Schande für das ganze Land“

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In der Ukraine versinken die Vorbereitungen für die Euro 2012 im Chaos. Jetzt droht der Verlust der Gastgeberrolle.

Kiew. Baustellen gibt es in Kiew viele, es wird aufgebaut und abgerissen, manchmal beides gleichzeitig. So auch rund um das Gelände des Olympiastadions, das 2012 als Austragungsort für das Finale der Fußball-Europameisterschaft vorgesehen ist. Denn direkt neben dem 1920 erbauten Stadion befindet sich die Baustelle des zur Hälfte fertiggestellten Einkaufszentrum Troizki. Der geplante Umbau für das Olympiastadion, Sicherheitsauflagen der Uefa sowie Streitigkeiten unter Geschäftsleuten haben dazu geführt, dass das Einkaufszentrum der Abrissbirne zum Opfer fallen soll.

Als Anfang Juli Uefa-Chef Michel Platini auf einer Inspektionsreise durch Polen und der Ukraine die Austragungsstätten in Augenschein nahm, präsentierte der Kiewer Stadtrat der Uefa Aktivitäten rund um die Troizki-Baustelle. Kaum war Platini abgereist, wurden die Arbeiten vorübergehend wieder eingestellt.

Einkaufszentrum muss weichen

Nachdem die taiwanesische Firma Archasia Design Group (ADG) den Auftrag zum Stadion-Umbau entnervt an das ukrainische Sportministerium zurückgegeben hatte, suchte Minister Juri Pavlenko eine neue Firma. Nun will man offenbar mit den deutschen Gruppen Gerkan, Marg und Partner (GMP) weiterarbeiten. Im Zuge der Vertragsverhandlungen hat Leonid Tschernowezki, Bürgermeister von Kiew, die Abrissarbeiten am Troizki wieder aufnehmen lassen. Unter seiner Aufsicht stimmte der Stadtrat für eine Demontage des Einkaufzentrums und bewilligte 3,7 Mio. Euro für den Abriss. Der bisherige Eigner, der Geschäftsmann Wadim Nowinski, wird mit einer 80 Hektar großen Fläche am Kiewer Messegelände entschädigt. Geschätzter Wert des Grünlandes: 255 Millionen Euro.

Die jüngsten Querelen rund um das Kiewer Olympiastadion geben Spekulationen, die Uefa könne die Ukraine als Veranstalter der Euro 2012 ausbooten, neue Nahrung. „Ein Verlust der Euro 2012 wäre eine Schande für das gesamte Land“, warnte Hryhoriy Surkis, Präsident des Ukrainischen Fußballverbandes, der als eine der mächtigsten Personen im Umkreis des Präsidenten gilt. Ein Land, das eine Mitgliedschaft in der EU anstrebe, müsse die Chance nutzen, die eine europäische Veranstaltung wie die Euro 2012 bietet.

Experten rechnen damit, dass die Veranstaltung als Initialzündung für ein groß angelegtes Infrastrukturprogramm dienen könnte. Eva Srejber, Vize-Präsidentin der Europäischen Investitionsbank (EIB) erklärte, dass man bereit sei, im Zuge der Turniervorbereitungen nachhaltige Projekte wie den Aus- und Aufbau von Straße und Schiene zu begleiten. Alleine für neue Transportwege in Kiew sind 5,5 Mrd. Euro veranschlagt, dazu 300 Mio. Euro für zwei neue Brücken sowie 85 Mio. Euro für 23 neue U-Bahnstationen.

Insgesamt sollen 17 Mrd. Euro in der Ukraine investiert werden, in Polen liegt der Betrag bei etwa zehn Mrd. Euro. Vor allem Kiew und Lviv erhoffen sich einen Aufschwung im Tourismus. Alleine in Lviv werden sich die Hotelbetten bis 2012 auf 20.000 vervierfachen.

Uefa entscheidet im September

Doch ausgerechnet der nur 70 Kilometer von Polen entfernt liegenden Stadt, stellte Michel Platini das schlechteste Zeugnis aller vier Spielstätten in der Ukraine aus. Lvivs Bürgermeister, Andriy Sadovyi, hat nun von Regierungschefin Julia Timoschenko selbst konkrete Zusagen für die Finanzierung erhalten. Vor allem für das Stadion „Ukraina“, das bisher nur als Designstudie existiert, sucht man händeringend nach einem Geldgeber. Die größten Herausforderungen warten jedoch im Bau jener Schnellstraße, die das polnische Krakau mit Lviv verbinden soll. Zeitungsberichten zufolge hält es die polnische Seite für unmöglich, den Bau der Straßen zeitgerecht fertigzustellen.

Die beiden östlich gelegenen Spielstätten Dnipropetrowsk und Donetsk werden hingegen spätestens im nächsten Jahr fertig werden. Beide Projekte wurden privat finanziert und werden im Besitz der Vereine Dnipro Dnipropetrowsk und Schachtar Donetsk bleiben. Auch der rund 61 Mio. Euro teure Ausbau des Flughafens von Dnipropetrowsk schreitet voran und soll bis 2012 abgeschlossen sein.

Diesem Beispiel sollten auch die anderen Austragungsorte folgen, mahnte Präsident Viktor Juschtschenko kurz nach den Drohungen der Uefa. Bis 1. September müsse die Regierung konkrete Maßnahmen festlegen, um ihre eigene Handlungsfähigkeit zu verbessern. Ende September wird dann das Uefa-Exekutivkomitee in Bordeaux darüber entscheiden, ob Polen und die Ukraine die Gastgeberrolle behalten.

Auf einen Blick

2012 soll die Fußball-Europameisterschaft in der Ukraine und Polen ausgetragen werden.

Doch die Uefa stellt den Ländern die Rute ins Fenster. Noch sei kein Ende der Stadions-Bauten in Sicht, auch der nötige Ausbau der Infrastruktur hinke hinterher.

Ende September entscheidet die Uefa, ob das Turnier in der Ukraine und Polen bleibt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.08.2008)

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