Schwedler: Multis „vertreiben“ oft die besten Mitarbeiter

(c) Die Presse (Michaela Bruckberger)
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Martin Schwedler, Vorstand der Raiffeisen Investment AG, über die Tücken bei Übernahmen in Rumänien.

Die Presse: Die Zeit der großen Übernahmen in Rumänien scheint nach der ersten Privatisierungswelle vorbei. Was steht heute auf dem Speiseplan der Investoren?

Martin Schwedler: Leute, die vor 15, 20 Jahren angefangen haben, Unternehmen zu gründen, werden heute von der internationalen Maschine überrollt. Ein Rumäne mit zwanzig Geschäften hat keine Chance, wenn Rewe kommt. Die Margen gehen sofort runter, da muss er überlegen, ob er weiter wachsen kann, oder seinen Marktanteil teuer verkauft.

Kommen die Käufer immer noch vorwiegend aus dem Ausland?

Schwedler: Ja, es gibt nur wenig Transaktionen zwischen Rumänen. Gerade im lukrativen Einzelhandel haben die Firmen in fünf Jahren ihre Größe verdoppeln können. Da wird es für ein rumänisches Unternehmen sehr teuer, ein anderes zu kaufen.

Wie gut laufen die Firmen denn nach einer Übernahme? Studien haben ergeben, dass man starke Umsatzeinbußen erwarten muss...

Schwedler: Hier ist es wichtig, zwischen Fusionen und Übernahmen zu unterscheiden. Echte Übernahmen sind unkomplizierter, weil man nicht, wie etwa bei Daimler und Chrysler, mühsam zwei komplexe Systeme zusammenbringen muss. In Osteuropa gibt es fast nur Übernahmen.

Demnach gibt es keine Probleme nach einem Eigentümerwechsel?

Schwedler: Doch, wenn etwa das Management oder Mitarbeiter nicht Teil einer internationalen Firma sein wollen. Wer da mit Zwang westliche Standards einführt, wird Probleme bekommen. Stattdessen müssen Käufer ein hohes Augenmerk auf die lokalen Gewohnheiten legen.

Passiert das häufig? Gerade US-amerikanische Firmen sind ja nicht für ihre einfühlsame Vorgehensweise bekannt...

Schwedler: Das ist richtig, allerdings ist aber auch die Ausgangslage von Coca-Cola eine andere als etwa die von einem österreichischen Unternehmen. Coca-Cola agiert in hunderten Ländern, da sind alle Töchter nach den selben Regeln aufgebaut, jeder Mitarbeiter weiß genau, wie der Konzern funktioniert.

Und er funktioniert, trotz der mangelnden Anpassung an den Markt, offenbar dank seiner Größe?

Schwedler: Ja. Hier nimmt man bewusst Streuverlust in Kauf. Dafür muss sich der Konzern nicht mit 200 Ländern auseinandersetzen. Natürlich kommen dabei auch komplette Idiotismen heraus...

Zum Beispiel?

Schwedler: Angenommen, ein großes internationales Unternehmen möchte 10.000 Leute abbauen, dann müssen in der Regel einfach alle Töchter zehn Prozent der Belegschaft los werden. Egal wie profitabel die jeweilige Niederlassung ist. Die Mitarbeiter werden aber nicht gefeuert, sondern bekommen Abfindungspakete geschnürt. Wer nimmt die Pakete jetzt? Natürlich nur die Besten, die sicher sind, dass sie morgen schon wieder einen neuen Job haben. Der Schlechte bleibt auf seinem Sessel kleben. Die Multis verlieren so die besten Leute und werfen ihnen auch noch viel Geld hinterher.

Die EU hat Bulgarien eben 500 Mio. Euro an Fördermitteln eingefroren. Grund waren Korruptionsvorwürfe. Wie sieht es da in Rumänien aus?

Schwedler: Bei privaten Transaktionen ist es viel besser geworden. Das hat sicher auch mit dem EU-Beitritt zu tun und damit, dass die Unternehmer verstanden haben, dass sie ohne Transparenz nicht an die internationalen Investoren herankommen. Auch die Steuerbehörden sind schon viel strikter. Sobald man aber in den staatlichen Bereich kommt, ist es eine Katastrophe. Das bekommt Rumänien einfach nicht in den Griff.

Was kann man dagegen tun? Ewig wird man nicht mit Augenzwinkern auf die Schädigung demokratischer Strukturen reagieren dürfen...

Schwedler: Natürlich. Wenn sich einzelne an schlechten Geschäften bereichern, schädigt das ein Land sehr. Je mehr internationale Investoren kommen, desto stärker wird Rumänien aber umdenken müssen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.08.2008)

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