Ukraine hofft auf Kredite vom IWF

Kiew
Kiew(c) AP (EFREM LUKATSKY)
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Die ukrainische Währung hat ein Fünftel an Wert verloren. Das Land fürchtet den Staatsbankrott und sucht Rat beim Internationalen Währungsfonds.

Kiew/Moskau. Nicht genug damit, dass die chronische Selbstzerfleischung im politischem Establishment der Ukraine die Entwicklung des Landes lähmt. Nun hat auch noch die internationale Finanzkrise die Ukraine mit voller Wucht getroffen. Am Mittwoch teilte der Internationale Währungsfonds (IWF) mit, dass das Land um Beistand zur Bewältigung der Finanzkrise gebeten habe. Am gleichen Tag war eine Delegation des IWF nach Kiew aufgebrochen, um die wirtschafts- und finanzpolitischen Maßnahmen des Landes zu begutachten.

Vorerst gehe es nur darum zu prüfen, ob und wieweit Unterstützungsmaßnahmen notwendig seien, sagte Serhiy Kruglyk, Direktor für Internationale Beziehungen bei der ukrainischen Nationalbank: Und es gehe darum zu wissen, „dass wir im Notfall zusätzliche Unterstützung erhalten, obwohl wir im Moment die Situation selbst gut managen“.

Notrettung für Banken

Die Ukraine ist damit binnen weniger Tage das vierte Land, das Rat beim IWF einholt. Zuvor hatten schon Island, Ungarn und Serbien beim IWF angeklopft. Vor allem der kleine Inselstaat Island kämpft verzweifelt gegen den drohenden Staatsbankrott. Bei der Ukraine erwarten Experten, dass der IWF letztlich eine Kreditvergabe beschließen werde.

Im flächenmäßig größten Staat Europas hatten die Bewohner zuletzt vermehrt ihr Geld in US-Dollars zu wechseln begonnen. So soll allein im laufenden Monat schon Geld im Wert von über 1,3 Mrd. Dollar von den Konten abgehoben worden sein. Die Währung, Grivna, hat zuletzt um rund 20 Prozent abgewertet und war auf einem Allzeittief von 5,9 je Dollar gelandet. Das Regierungskabinett von Premierministerin Julia Timoschenko hat daher begonnen, die Banken mit Notmaßnahmen zu retten und die einheimische Währung zu stabilisieren. Seit Montag beschränkt die Nationalbank aktive Operationen der Banken. Die internationale Ratingagentur Fitch hat zuletzt bereits die Prognose für das langfristige Kreditrating einiger Banken auf „negativ“ nach unten korrigiert und vor einem erhöhten Risiko einer Währungskrise gewarnt. Im Unterschied zu seinen rohstoffreichen Nachbarstaaten mit ihren dicken Währungsreserven läuft die Ukraine Gefahr, dass größere Maßnahmen zur Stützung der Währung die Devisenvorräte schnell auffressen.

Derzeit betragen die Devisenreserven 37,5 Mrd. Dollar, eine Summe, die gerade mal den Import von vier Monaten decken kann. Auch hat der IWF schon vor einigen Tagen die Prognose für das ukrainische Wirtschaftswachstum radikal herabgestuft. Demnach würde das BIP im Vergleich zu den heurigen 6,5 Prozent nächstes Jahr nur noch um 2,5 Prozent zulegen.

Strompreise reguliert

Die Regierung hat auch begonnen, die Strompreise für die Stahl- und Chemieindustrie zu beschränken. Die Gaspreise wurden herabgesetzt, die Transportkosten eingefroren. Über dem Land hängt das Damoklesschwert höherer Gaspreise. Der russische Gasmonopolist Gazprom hatte heuer gedroht, die derzeitigen 179,5 Dollar pro Kubikmeter nächstes Jahr auf 400 Dollar anzuheben. Die Aushandlung des Gaspreises gilt als eine der wichtigsten Aufgaben der Politik.

Im Poker mit Russland hatte zuletzt Timoschenko die Nase vor ihrem Konkurrenten, dem Präsidenten Wiktor Juschtschenko. Dieser besteht im Übrigen auf vorgezogenen Neuwahlen im Dezember und hat dafür letzte Woche das Parlament aufgelöst. Timoschenko stellt sich gegen Neuwahlen.

auf einen blick

Die Ukraine bangt vor den Folgen der Finanzkrise. Die Banken werden gestürmt, Währungsreserven gibt es kaum, der Grivna verlor ein Fünftel an Wert. Jetzt soll der IWF mit Krediten einspringen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.10.2008)

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