Russland: Der Rubel rollt bergab

(c) Bilderbox (Erwin Wodicka)
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Der Ölpreisverfall reißt die russische Währung in die Tiefe. Seit November hat der Rubel um 22,5 Prozent abgewertet. Ein Ende der Talfahrt ist nicht in Sicht.

Moskau. In den Jahren des Wirtschaftsaufschwungs wurde er zum Symbol der Stabilität. Nun, mehrere Monate nach dem Überschwappen der globalen Finanzkrise auf Russland, gibt es für ihn nur noch eine Richtung. Der russische Rubel befindet sich auf einer Talfahrt, wie sie seit dem Crash 1998 nicht mehr gesehen ward. Kostete ein Dollar zu Zeiten des Höchststandes im Juli 2008 noch 23,12 Rubel, sind aktuell 32,57 zu zahlen – und damit erstmals mehr als im Rekordjahr 2003. Ein Euro kostet schon über 43 Rubel.

Seit dem Ende der Weihnachtsferien am 10. Jänner hat die Zentralbank fast täglich den Korridor der Kursschwankung ausgeweitet – zu einem Währungskorb, der aus 55 Prozent Dollar und 45 Prozent Euro besteht. Seit die obersten Währungshüter im November eine sukzessive Abwertung beschlossen haben, hat sich der Währungskorb um etwa 22,5 Prozent verteuert, allein seit dem Jahreswechsel um 7,5 Prozent.

Marktbeobachter gehen davon aus, dass die Tendenz anhält: „Wir erwarten, dass das so weitergeht, bis der Kurs bei einem Ölpreis von 40 Dollar je Barrel noch um etwa 20 Prozent sinkt“, meint Roman Parchomenko, Währungsspezialist bei der russischen Lanta-Bank: „Nimmt man als Grundlage den prognostizierten Ölpreis von 32 Dollar, könnte der Kurs sogar noch um 40 Prozent einbrechen“.

Die Finanzkrise trifft die russische Wirtschaft mit voller Wucht. Zum Liquiditätsengpass gesellt sich nämlich der Verfall der Erlöse aus Rohstoffen, an denen die russische Wirtschaft einseitig hängt.

Fast alles steht und fällt mit dem Ölpreis. Hatte er während seiner Bergfahrt in den letzten Jahren die russische Währung übermäßig gestärkt, eine Importschwemme verursacht und die Entwicklung einer konkurrenzfähigen Produktion in Rohstoff-fernen Sektoren behindert, so reißt er nun den Rubel mit sich in die Tiefe. Mit Ratlosigkeit steht die russische Führung daher vor der Frage, welchen Ölpreis sie dem Budget für 2009 zu Grunde legen sollte. Niemand zweifelt daran, dass der Staatshaushalt erstmals seit zehn Jahren defizitär wird. Sinkt der Preis auf 32 Dollar pro Barrel, wird das Defizit mehr als 94 Mrd. Euro betragen, zitiert die Agentur Interfax aus Beamtenkreisen.

Firmen flüchten in den Dollar

Noch scheut die Zentralbank vor einer Radikalkur zurück und überlässt den Rubel nicht dem freien Fall. Um Panikreaktionen im Volk zu vermeiden, hat die Zentralbank den Rubel zwischen September und Dezember mit ganzen 170 Mrd. Dollar gestützt. Damit sind die Währungsreserven binnen weniger Monate 427 Mrd. Dollar geschrumpft. Solange die Handelsbilanz positiv ist, erwarten Beobachter keine Änderung der Strategie. „Erst bei einem Ölpreis unter 35 Dollar wird die Handelsbilanz negativ“, meint Kirill Tremasow, Chefanalyst bei der Bank of Moscow.

Führende Wirtschaftsexperten drängen auf eine radikale Abwertung, weil sie sich davon eine schnellere Überwindung der Krise erwarten. Laut einer Umfrage der Investmentbank „Troika Dialog“ nämlich stockt die Wirtschaft, weil sich die meisten Marktteilnehmer eine Abwertung von 20 bis 30 Prozent in den nächsten drei Monaten erwarten: „Das beeinflusst die Arbeit der Firmen gewaltig, weil sie alle freien Geldmittel in ausländische Valuten konvertieren, selbst wenn sich das schlecht auf das Kerngeschäft auswirkt“, schreibt „Troika Dialog“. Laut Zentralbank haben Firmen außerhalb des Finanzsektors allein im vierten Quartal 56,3 Mrd. Dollar aufgekauft, doppelt so viel wie im Jahr zuvor. Wie viel auch von den staatlichen Stützungsgeldern so gehortet wird, ist offen. In jedem Fall geht der Wirtschaft das Geld aus, Kredite werden zurückgehalten.

Und auch die Bevölkerung wechselt ihr Geld eiligst. Der Anteil der Bankeinlagen in Valuta ist zwischen Oktober und November von 14 auf 20 Prozent gestiegen. Eine „grüne Welle“ erfasst das Land, kommentiert die Tageszeitung „Wedomosti“ – in Anspielung auf die Dollars, die im russischen Jargon auch „Greenies“ heißen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.01.2009)

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