Rumänien: „Die Löhne sind außer Kontrolle“

(c) Reuters (Bogdan Cristel)
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Rumänien steigt bei den Ausgaben heftig auf die Bremse. Dennoch braucht das Land fremde Hilfe und verhandelt mit der EU über einen Sieben-Mrd.-Euro-Kredit.

Timisoara/Wien. Anders als ihre südlichen Nachbarn in Bulgarien, reagieren die Rumänen bisher gelassen auf die Wirtschaftskrise. Krawalle wie in Sofia, Riga oder Vilnius gibt es in Bukarest nicht. Warum auch? Noch loben die meisten ausländischen Investoren die „enormen Entwicklungssprünge“ im Land, die Rumänen selbst freuen sich seit Jahren über rasant steigende Löhne. Zuletzt sicherte die derzeitige Mitte-links-Regierung allen Lehrern einen weiteren Gehaltssprung für 2009 zu. Fünfzig Prozent mehr, versprachen die Politiker knapp vor ihrer Wahl im November.


Doch davon ist nun keine Rede mehr. „Die Lohnkosten sind außer Kontrolle“, erklärte Premierminister Emil Boc. Um das Budgetdefizit 2009 wie angekündigt von über fünf auf zwei Prozent des BIP zu drücken, muss die Regierung an allen Ecken sparen. Rumänische Staatsbedienstete werden sich demnach im heurigen Jahr mit fünf Prozent mehr Gehalt zufriedengeben. Im Vorjahr stiegen ihre Löhne noch um 20 Prozent. Insgesamt will Bukarest die Ausgaben für Beamte um ein Fünftel kürzen. Zudem sollen höhere Steuern auf Alkohol und Tabak mehr Geld in die Staatskassen spülen.

EU-Kredit notwendig


Ohne fremde Hilfe wird das jedoch nicht reichen, um das Land aus der Krise zu ziehen. „Wir haben ein Problem, das Defizit zu finanzieren“, gestand Boc ein. Von den zweistelligen Wachstumsraten der vergangenen Jahre wird 2009 wenig übrig bleiben. Die Regierung hofft auf ein Plus von 2,5 Prozent, Ökonomen erwarten bestenfalls zwei Prozent Wirtschaftswachstum. Neben der Lücke im Budget kämpft Bukarest auch mit einer fallenden Landeswährung und einem enormen Handelsbilanzdefizit, das sich angesichts der sinkenden Nachfrage im Westen nicht verbessern wird.


Diese Woche haben sowohl der Internationale Währungsfonds als auch die EU-Kommission Delegationen ins Land geschickt, um die ökonomische Situation Rumäniens zu beobachten. Dabei wird es nicht bleiben, aller Voraussicht nach wird mit Rumänien, nach Ungarn und Lettland, das dritte EU-Land am Brüsseler Geldtropf hängen, um die Auswirkungen der Krise gering halten zu können. Erste Gespräche über einen möglichen Kredit in der Höhe von bis zu sieben Mrd. Euro fanden bereits dieser Tage statt. Viele Ökonomen schätzen, dass Rumänien bis zu neun Mrd. Euro benötigt, um kurzfristige Schulden und öffentlichen Ausgaben decken zu können. Bislang hatte sich Präsident Traian Basescu stets gegen ein gemeinsames Hilfspaket von EU und IWF, vor allem aber gegen die damit verbundenen Auflagen gewehrt. Die ökonomische Zukunft Rumäniens ist auch für Österreich als größter Investor und Kreditgeber von großer Bedeutung. Vor allem die heimische Erste Bank ist, dank ihres rumänischen Kreditinstituts BCR, eng mit dem Schicksal des Landes verbunden.
Bis März 60.000 Jobs weniger
Die kommenden Wochen könnten den Rumänen rasch ihre Unbekümmertheit nehmen. Vorerst ist die Weltwirtschaftskrise in Rumänien „noch nicht so recht angekommen“, berichtet Pepu Ioan Aurel, der stellvertretende Leiter des Arbeitsamts in Timisoara. Erst drei Dutzend größere Unternehmen der Region hätten Entlassungen angekündigt oder Mitarbeitern gekündigt. Landesweit sieht es schlimmer aus. Offiziell wird erwartet, dass bis März 60.000 Rumänen ihren Job verlieren werden. Paradoxerweise ein gutes Signal für Investoren, die zuletzt wegen des akuten Fachkräftemangels vor einer Ansiedlung zurückgeschreckt waren. Zumindest dieses Problem dürfte bald ausgeräumt sein.

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