Strukturprobleme behindern Ukraine und Russland

(c) AP (Alexander Zemlianichenko)
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Ab dem vierten Quartal könnte die Konjunktur in Russland aber anspringen. Das dringlichste der System-Probleme sieht Unternehmens-Berater Kumm in der Fokussierung auf rohstoffbasierte Branchen

Wien (mar). In diesen Tagen findet man in den besten Lagen Moskaus und Kiews verlassene Baustellen – die deutlichsten Zeichen der Wirtschaftskrise, in der beide Länder derzeit stecken. Doch während in den westlichen Volkswirtschaften faule Finanzgeschäfte die Krise ausgelöst haben, hängen in Russland und der Ukraine längst nicht alle Probleme damit zusammen. „Es gibt Strukturprobleme, die wir seit Jahren und sogar seit Jahrzehnten beobachten“, sagt Uwe Kumm. Für die Unternehmensberatung Roland Berger leitet er die Aktivitäten in den GUS-Staaten.

Nicht nur die Krise ist schuld

Das dringlichste der System-Probleme sieht Kumm in der Fokussierung auf rohstoffbasierte Branchen. So bestreitet Russland mit Öl, Gas, Mineralien und Metall 82 Prozent seiner Exporte, in der Ukraine sind es 44 Prozent. Weiters nennt Kumm die veraltete Infrastruktur – etwa sei ein Drittel der Straßen nur eingeschränkt nutzbar – sowie Mängel in der Innovationskraft und Effizienz. Ein Vergleich veranschaulicht, wie unterschiedlich die Effizienz in Russland und im Westen ist: So produzierte Severstal 2007 pro Mitarbeiter 330 Tonnen Stahl, Voestalpine schaffte 702 Tonnen. „Die Krise wird diesen Abstand zu westlichen Unternehmen noch weiter vergrößern“, sagt Kumm.

Trotzdem sieht die Unternehmensberatung vor allem für Russland gute Chancen, gegen Ende dieses oder Anfang nächsten Jahres wieder einen Wachstumskurs einzuschlagen. „Wenn sich der Ölpreis weiter um die 50 Dollar bewegt, könnte Russland bereits Ende 2009 wieder an Fahrt gewinnen“, kommentiert Kumm. Die Konjunkturprogramme Moskaus bewertet er als positiv. Russland gebe mit 55 Milliarden Euro rund sechs Prozent seines BIP für Konjunkturhilfen aus, was mit westlichen Hilfspaketen vergleichbar ist. Auch hat Moskau bereits 150 Milliarden Euro für die Stützung des Rubelkurses ausgegeben und damit eine Panik in der Bevölkerung verhindert. Bei der Ukraine dagegen ist Kumm wegen der zeitgleichen politischen Krise weniger optimistisch.

„Investieren kann sich lohnen“

Trotzdem sieht der Unternehmensberater in beiden Ländern gute Investitionsmöglichkeiten. Gründe dafür seien die einbrechenden Preise für Unternehmen und Immobilien oder die Rubelabwertung. Für die Ukraine nennt Kumm zwei Beispiele: Aufgrund der Vorteile in der Landwirtschaft lohne sich ein Einstieg in die ukrainische Lebensmittelverarbeitung. Dazu liege auch der traditionell starke Tourismus derzeit am Boden, werde sich aber dank der Schwarzmeerküste bald erholen. In Russland gebe es etwa im Tiefbau hervorragende Chancen, da hier mit einem Ausbau des maroden Straßen- und Schienennetzes zu rechnen sei.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.04.2009)

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