Osteuropa: Mit Sparpaket und Klingelbeutel

(c) APA (Helmut Fohringer)
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Tabu im Westen, Realität im Osten: Wegen der schlechten Finanzlage fahren viele Staaten schon jetzt drastische Sparkurse und erhöhen sogar Steuern.

Wien. Wer glaubt, dass die Verschuldung der öffentlichen Hand schon heute Grund genug zur Sorge ist, sollte sich eine düstere Prognose der EU-Kommission in Erinnerung rufen. Die durchschnittliche Staatsschuldenquote der Mitgliedsländer werde bis ins Jahr 2020 von 72 Prozent (in diesem Bereich liegt auch Österreich) auf 125 Prozent ansteigen, warnte Brüssel vor wenigen Wochen. Immerhin steht die Alpenrepublik mit ihrem wachsenden Schuldenberg nicht allein da. Rund um den Globus haben Staaten in der Wirtschaftskrise mit sinkenden Einnahmen (in Österreich betrug das Steuerloch zum Vorjahr Ende August bereits 3,1 Mrd. Euro) und steigenden Ausgaben für Konjunkturprogramme zu kämpfen.

Die Antworten der Finanzminister sind denkbar unterschiedlich. Sie reichen vom gesetzlich verordneten Schuldenstopp in Deutschland (siehe unten stehenden Artikel) über Ausgabensenkungen bis zu Steuererhöhungen, wie sie jüngst etwa Spanien angekündigt hat.

Besonderes Augenmerk verdienen die Länder Mittelosteuropas. Sie trifft die Krise mit voller Wucht, konnten doch die meisten von ihnen in den Jahren der Transformation trotz ihres teils beachtlichen Wirtschaftsaufschwungs kein Budgetpolster ansammeln. Länder wie Ungarn, Ukraine, Rumänien oder Lettland konnten selbst nur durch milliardenschwere Notkredite des Internationalen Währungsfonds und der Europäischen Union vor dem Bankrott bewahrt werden. Den Preis, den die internationalen Kreditgeber dafür verlangen: scharfe Einschnitte ins Staatsbudget.

„Es wird wehtun“

„Es wird wehtun!“ Diesen Satz musste der neue ungarische Premier Gordon Bajnai seinen Landsleuten einschärfen. Während in Westeuropa viele Regierungen noch vor Sparmaßnahmen zurückschrecken, kennt der frühere Wirtschaftsminister nur eine Antwort auf die Krise. Und die heißt: sparen. Mit einer Radikalkur, zu der harte Sparmaßnahmen genauso gehören wie Steuersenkungen, soll die Wirtschaft des Landes wieder auf Kurs gebracht werden.

Bajnai kürzte die Ausgaben vor allem bei Sozialleistungen wie Familienbeihilfe, Karenz- und Krankengeld oder Wohnungsförderungen. Pensionisten und Staatsbediensteten müssen zudem künftig auf ihre 13. Pension beziehungsweise das 13. Gehalt verzichten. Allein heuer sollen die Staatsausgaben so um 400 Mio. Forint reduziert werden, im kommenden Jahr nochmals um 900 Mio. Im Gegenzug senkt die Regierung die Steuerlast der Arbeitnehmer im Niedriglohnbereich. Im nächsten Jahr sollen zudem die Einkommensteuersätze gesenkt werden.

In den meisten Nachbarländern sehen die Antikrisenmaßnahmen ähnlich aus. Rumänien hat sich die Kürzung der staatlichen Ausgaben für Beamte um ein Fünftel vorgenommen. Anders als in Ungarn ist der IWF mit den Fortschritten im Balkanstaat aber nicht zufrieden und ruft zu mehr Sparsamkeit auf. Rumänien habe sich verpflichtet, das Budgetdefizit bis 2011 auf drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu drücken.

Für heuer wurde das erlaubte Budgetdefizit wegen der schwierigen Wirtschaftslage von 4,6 auf 7,3 Prozent erhöht. In Lettland, wo die tiefste Rezession erwartet wird, wurde die Kürzung der öffentlichen Ausgaben um ein Zehntel (717 Mio. Euro) beschlossen. Allein im ersten Quartal 2009 schrumpfte die Wirtschaftsleistung um 18 Prozent.

Neue Steuern kein Tabu

Der Fokus der meisten Regierungen in der Region liegt auf Einsparungen, vor allem bei den Ausgaben für Pensionen und Beamte. Ganz ohne neue Steuern werden die Staaten Osteuropas aber dennoch nicht auskommen. So hat Budapest etwa die Erhöhung der Mehrwertsteuer von 20 auf 25 Prozent beschlossen. Für das kommende Jahr ist die Einführung einer Immobiliensteuer geplant.

Auf eine höhere Mehrwertsteuer setzen auch Länder wie Kroatien oder Tschechien. Kroatien hat zudem eine heftig kritisierte Krisensteuer für Besserverdienende kreiert.

Rumänien erhöhte Verbrauchssteuern auf Tabak und Alkohol, um Geld in die Kassen zu spülen. Wirklich kreativ bei der Suche nach neuen Einnahmequellen war das estnische Finanzministerium. Da im Land nach zwei Sparpaketen über mehrere hundert Mio. Euro keine Entspannung des Haushalts in Sicht ist, wurde nicht nur ein drittes Sparpaket beschlossen. Die Regierung hat auch ein Spendenkonto eingerichtet, damit Bürger freiwillig einen größeren Beitrag zur Überwindung der Krise leisten können.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.10.2009)

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