Landwirtschaft: Schock für Österreichs „Fernbauern“

(c) EPA (Sandor Ujvari)
  • Drucken

Ungarns Parlament erschwert den Erwerb von Agrarland für EU-Bürger. Das bis 2011 laufende Moratorium soll um weitere drei Jahre verlängert werden.

BUDAPEST/WIEN. Krisztina Morvai ist „schuld“ daran, dass viele Österreicher in Ungarn nicht zu „ihrem“ Land kommen. Man müsse den Bodenerwerb von Ausländern stoppen, um die drohende „Kolonialisierung“ zu verhindern, sagte die Chefin der rechtsextremen ungarischen Gruppierung Jobbik im Wahlkampf um das Europäische Parlament Anfang Juni. Sie landete mit ihrem EU-kritischen Kurs einen angsteinflößenden Erfolg.

Ungarn hat nach der Wende mit den Staatsgütern à la Bábolna die Kontrolle über das heikle Gleichgewicht zwischen Agrarförderung und Lebensmittelpreisen verloren. Bei landwirtschaftlich nutzbarem Boden wurde die Parole „kein Landkauf durch Ausländer“ zumindest formell durchgesetzt. Mit dem EU-Beitritt am 1. Mai 2004 bekam Ungarn eine siebenjährige Frist, nach der dieses Verbot aufgehoben werden sollte. Schon hat Staatssekretär Zoltán Gögös angekündigt, Budapest werde sein Recht wahren und um eine dreijährige Verlängerung ansuchen.

Per Traktor über die Grenze

Natürlich halten sich die Realitäten nicht an die Wunschvorstellungen der Krisztina Morvai. Tausende Österreicher – dazu ein paar Deutsche, Niederländer und Italiener – bebauen seit vielen Jahren Agrarland in Ungarn, meist als „Fernbauern“ von Österreich aus. Viele fahren mit ihren Traktoren je nach Bedarf über die Grenze. Nur wenige achten das Gesetz, indem sie in Ungarn leben und die Produkte dort verkaufen. Diese wenigen dürfen seit Ungarns EU-Beitritt Boden erwerben.

Die überwiegende Mehrheit hat den Boden erworben, ist aber nicht Eigentümer. Wie das ging? Mit „Taschenverträgen“, die zwischen den Geschäftspartnern gelten, nicht aber für den Staat. Viele Österreicher hofften, sie könnten nach der Freigabe des Bodenerwerbs im Jahr 2011 den Vertrag aus der Tasche ziehen.

Doch da haben sie nicht mit der Angst vor der „Kolonialisierung“ oder vor Morvai und ihrer Truppe gerechnet – Jobbik ist mit der trotz Verbots weiterhin in schwarzen Uniformen marschierenden „Ungarischen Garde“ liiert. Obwohl Morvai noch nicht im Parlament sitzt, hat dieses soeben mit 353 Ja-und einer einzigen Gegenstimme eine verschärfende Gesetzesnovelle beschlossen. Bisher gab es von der Grundregel, wonach Ausländer in Ungarn kein Agrarland erwerben dürfen, die erwähnte Ausnahme: EU-Bürger, drei Jahre in Ungarn, landwirtschaftliche Tätigkeit, Steuerpflicht. Letztere konnte mangels Landbesitz nicht nachgewiesen werden – also flugs eine nachträgliche Steuererklärung abgegeben, die Buße entrichtet, und schon war der Betreffende glücklicher Eigentümer jenes Landes, das er schon bewirtschaftete.

Hintertür geschlossen

Jetzt wird dieser Vorgang erschwert. Es sei gelungen, eine weitere Hintertür zu schließen, sagte Péter Roszik, Präsident der Landwirtschaftskammer des westungarischen Komitats Györ-Moson-Sopron. Künftig werde der Bewerber der Agrarbehörde eine Umweltstudie vorlegen müssen, die beweise, dass er tatsächlich mindestens drei Jahre lang im Land gelebt und den Boden bebaut habe. Was implizit bedeutet, dass nur „echt inländische Ausländer“ den Bodenerwerb durchziehen können. Die Obergrenze bleibt mit 300 Hektar gleich.

Um welche Größenordnungen es geht? Roszik will von einer österreichischen Landwirtschaftskammer erfahren haben, dass Österreicher mehr als 700.000 Hektar ungarisches Agrarland bewirtschaften – mit anderen Ausländern kämen sie auf eine Million Hektar, fast ein Neuntel der Gesamtfläche Ungarns. Im westlich der Donau liegenden Transdanubien ist dieser Anteil viel höher, sagt Tibor J. Dombóvári, Vizepräsident des Landesverbandes der ungarischen Bodenbesitzer. Es gebe Orte, deren Agrarfelder zu einem Viertel „ausländisch“ seien.

Warum sich Ungarn – außer wegen Morvai – so vehement gegen ausländische Landwirte wehrt? Man brauche sich nur die Entwicklung der Bodenpreise anzusehen, sagte András Inotai, Direktor des Weltwirtschaftsforschungsinstituts VKI, bei einer Tagung: Keine ungarische Regierung habe bisher den Mut gehabt, den Markt auf die Öffnung vorzubereiten, also würden ausländische Großinvestoren nach 2011 spottbillig Land kaufen können. Nach einer 30- bis 40-prozentigen Teuerung im Vorjahr betrage der Durchschnittspreis 700.000 Forint (2600 Euro) pro Hektar. Zum Vergleich: Ein Hektar Agrarland in Österreich notierte im Vorjahr mit 12.000, in Deutschland mit 15.000 Euro.

AUF EINEN BLICK

Unter dem Druck der EU-feindlichen rechtsextremen Partei „Jobbik“ beschloss das ungarische Parlament eine Verschärfung der Bedingungen für den Erwerb von Agrarland durch EU-Ausländer.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.10.2009)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.