„Europa-Feta“ vom Balkan und die Wirren der Politik

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Eine dänische Käserei produziert in Rumänien Käse aus slowakisch-tschechischer Milch und setzt auf das Label Balkan.

CAMPULUNG MUSCEL. Käseproduzent im heutigen Europa zu sein ist alles andere als leicht. Es erfordert genaue Kenntnis der EU-Bestimmungen und mitunter sogar diplomatisches Geschick. Jan Degn vom dänischen Molkereiunternehmen „Nordex Food“ kann ein Lied davon singen. Seine Firma produziert ein Produkt namens „Weißkäse“. Ein schlichter, aus Marketingsicht vielleicht geradezu ungeschickter Name. „Feta dürfen wir ihn nicht mehr nennen“, sagt Degn, der Manager der rumänischen Molkerei der Gruppe in der Stadt Campulung Muscel.

Seit 2007 müssen Käseproduzenten, deren Erzeugnis nicht aus Griechenland stammt und nicht aus Schaf- und Ziegenmilch hergestellt ist, mit anderen Namen Vorlieb nehmen. In „Hirtenkäse“ haben manche ihr Produkt umbenannt, andere versuchen es mit „Balkankäse“ oder „Salatkäse“. Degns Firma, nach der überlegten Art der Dänen, hat sich für das Etikett „Weißkäse“ entschieden.

Nordex Food, der bedächtige Degn, ein 32-Jähriger mit kurzem brünettem Haar und rundlichem Gesicht, Weißkäse – auf den ersten Blick eine Alltagsgeschichte: Im Werk in Campulung mit 25 Angestellten brummen die Maschinen routiniert. Im Kühlraum stapeln sich die Kartons bis zur Decke. 4000 Tonnen Salzlakenkäse pro Jahr werden hier hergestellt – für den rumänischen Markt, die Nachbarländer und für Nahost.

1000 Kilometer Milchtransport

Doch es ist nicht rumänische Milch, die hier verarbeitet wird, erklärt Degn, der zuvor am niederösterreichischen Nordex-Food-Standort Pöggstall tätig war. „Wir müssen die Milch aus der Slowakei und aus Tschechien importieren.“ In Rumänien gibt es nicht genug Milch der EU-Güteklasse 1, die die Firma verarbeitet, um exportieren zu können. Die Lastwagen, die vor dem Fabrikstor in Campulung halten, haben fast tausend Kilometer auf dem Buckel.

Rumänien war für die Dänen aber dennoch interessant, weil es den Zugang zu den Balkanländern – hier wird traditionell viel Weißkäse konsumiert – erleichtert. Und auch einem anderen wichtigen Absatzmarkt, der immerhin die Hälfte des Umsatzes von Nordex Food ausmacht, wollte man so näherkommen: Über den rumänischen Schwarzmeerhafen Constan?a ist der Nahe Osten unkompliziert zu erreichen.

Doch 2006, mitten in die Standortsuche in Rumänien, platzte ein Ereignis, das die Dänen „Muhammedkrisen“ nennen. Die Mohammed-Karikaturen aus der dänischen Tageszeitung „Jyllands-Posten“ gerieten in der islamischen Welt zum Skandal. Es kam zu Demonstrationen und Angriffen auf dänische Einrichtungen, gläubige Muslime forderten einen Boykott dänischer Produkte. „Von einem Tag auf den anderen brachen die Exporte zusammen“, erinnert sich Degn mit Schrecken. „Kein Araber wollte mehr unseren Käse berühren.“

Mittlerweile ist die Empörung abgeflaut, der Umsatz wieder gestiegen – und Nordex agiert nun höchst diplomatisch, wenn es um Exporte in den Nahen Osten geht: Der Weißkäse wird dort als Balkanprodukt vermarktet, auf der Verpackung prangt der Name der rumänischen Molkerei. Dass Dänemark der Stammsitz der Firma ist, verschweigt man geflissentlich. „Rumänien hat einen guten Namen im Nahen Osten“, freut sich Degn. „Es gibt hier eine lange Käsereitradition.“ Und – was wohl noch wichtiger ist – keine Karikaturen des Propheten in Medien.

AUF EINEN BLICK

Käse aus dem vereinten Europa. Im rumänischen Campulung
Muscel (120 km nordwestlich von Bukarest) produziert ein dänisches Unternehmen Weißkäse – aus tschechischer und slowakischer Milch.

Rumänien produziere zu wenig Milch der EU-Güteklasse 1, die die Firma für den Export benötigt, so Nordex-Manager Jan Degn. Beliefert werden der Nahe Osten, Südosteuropa und Migrantencommunities in Mittel- und Westeuropa.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.12.2009)

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