Korruption: Der Ikea-Saubermann packt aus

Korruption IkeaSaubermann packt
Korruption IkeaSaubermann packt(c) AP (MICHAEL PROBST)
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Ein Termin bei Putin kostet zehn Millionen Dollar: Mit einem Buch voll solcher Enthüllungen sorgt der Ex-Russland-Chef von Ikea für Aufregung. Ikea selbst untersagt jegliche Schmiergeld-Zahlungen.

Moskau. Lennart Dahlgren ist ein tüchtiger Manager. Aber niemand ist vollkommen, und das weiß auch der russische Geheimdienst FSB. Er legte über den Schweden, als er noch Russland-Chef des schwedischen Möbelhauses Ikea war, ein Dossier an. Und dort wird als Dahlgrens „Hauptfehler“ genannt, dass er „sehr geizig und übermäßig sparsam“ sei.

Das hat er freilich mit seinem obersten Boss gemeinsam. Schon seit dem Beginn der Expansion nach Russland vor zehn Jahren hat Ikea-Gründer Ingvar Kamprad Schmiergeldzahlungen untersagt. Als der heute 83-Jährige im Februar erfuhr, dass zwei seiner Manager sich nicht an die Vorgabe gehalten hatten und für die Stromversorgung eines Ikea-Marktes in St.Petersburg Beamte geschmiert hatten, wurde er vom Schmerz übermannt: „Ich saß in meinem Sessel und heulte wie ein Kind.“

Auf Saubermann Dahlgren aber, der Ikea in Russland aufbaute und bis 2006 leitete, war Verlass. Er hatte die „goldene Regel“ internalisiert: „Zahlst du einmal, zahlst du immer.“ Deshalb spielte er die in Russland üblichen Spielchen einfach nicht mit.

Der Elch als Mega-Investor

Wozu das führte, erzählt Dahlgren in einem Buch, das nun in russischer Übersetzung aus dem Schwedischen erscheint und das Zeug zum Knüller hat. „Trotz der Absurdität“, lautet der Titel, mit dem Untertitel: „Wie ich Russland bezwungen habe – und Russland mich“.

Vieles blieb Dahlgren durch seine Kompromisslosigkeit verwehrt. So schaffte er es nicht, für seinen Chef Kamprad einen Besuch bei Kremlchef Putin zu organisieren. Ob die Beamten im Vorzimmer der Macht gescherzt hätten oder nicht, könne er nicht wissen, meint Dahlgren. Jedenfalls hätten sie gesagt, dass die Schweden wohl kaum mit Putin reden wollen, weil sie ja nicht bereit seien, den „Eingangstarif“ zu zahlen: „Unsere Taxe für ein Treffen sind fünf bis zehn Millionen Dollar.“

Zum Treffen kam es nicht. Dabei ist Ikea in Russland nicht gerade irgendwer. Lässt man die Ölfirmen außer Acht, waren die Schweden 2009 die größten ausländischen Investoren. Die Nachfrage ist riesig, der Umsatz pro Geschäft meist weit höher als in anderen Ländern. Dass sich die Schweden nicht als Melkkühe hergeben, stößt den Beamten daher umso saurer auf.

In der Tat ragt Ikea mit seinen Prinzipien in Russland heraus. Viele westliche Firmen geben Schmiergeldzahlungen im vertraulichen Gespräch durchaus zu. Die Schweden hingegen haben sich mit ihrer Haltung große Probleme eingehandelt. Die Eröffnung jedes Kaufhauses – bisher elf Stück – wurde behindert und immer wieder verschoben. Beim letzten in der Stadt Samara im Sommer 2009 wurde es Kamprad zu bunt, er legte die Investitionsprojekte auf Eis.

Korruption ist in Russland zu einer fixen Säule in der Wirtschafts- und Sozialstruktur geworden. Hunderttausende Beamte verdienen damit prächtig. Zwischen 240 und 300 Mrd. Dollar – ein Fünftel des BIPs – fließen jährlich in ihre Taschen, schätzt das Nationale Komitee zur Korruptionsbekämpfung. Dazu hat sich schon Premier Wladimir Putin bekannt – mit dem Effekt, dass die Misswirtschaft nur noch schlimmer wurde.

Korrupt wie Kenia und Kamerun

Fortan waren auch die neuen Kontrolleure zu schmieren, erzählt ein westlicher Bauunternehmer. Die Wirtschaftskrise hat den Appetit weiter erhöht. Die Beamten seien unsicher und „langen zu, als wäre es zum letzten Mal“, meint Georgi Satarow, Korruptionsexperte der Stiftung Indem. Im Korruptionsindex von Transparency International teilte sich Russland Platz146 mit Kenia, Kamerun – und der Ukraine. „Es gab Momente, da schien mir, dass sich in unserem Office mehr Kontrolleure als Mitarbeiter befanden“, schreibt Dahlgren. Doch ist er ein großer Verehrer Russlands geblieben. Zumal er auch korruptionsfreie Flecken ausgemacht hat: in der Tatarenstadt Kazan, wo Ikea mithilfe der Administration die Niederlassung in weltweiter Rekordzeit gebaut hat.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.03.2010)

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