Bulgarien: Die EVN als "Straßenräuber"

Bulgarien Strassenraeuber
Bulgarien Strassenraeuber(c) BilderBox (Erwin Wodicka)
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Premier Borissow droht offen mit der Reverstaatlichung ausländischer Stromkonzerne. Dem „schmutzigen Geschäft“ will Borissow „ein Ende bereiten, egal zu welchem Preis“.

Istanbul. „Dalavera“ ist der bulgarische Inbegriff für ein schmutziges Geschäft. Ein „klares dalavera“ wirft Bulgariens Ministerpräsident Bojko Borissow dem niederösterreichischen Energieversorger EVN vor, weil er den bulgarischen Stromkunden viel zu hohe Preise verrechnet. Zur Strafe droht der erzürnte Premier dem „Straßenräuber“ sogar mit einer Reverstaatlichung.

Die börsennotierte EVN steht nicht allein unter Beschuss: Auch auf die tschechische ČEZ und die deutsche E.ON hat es Borissow abgesehen.

Mit einer simplen Rechnung facht er den seit Jahren schwelenden Zorn der Bulgaren auf die ausländischen Stromnetzbetreiber an: Die nationale Elektrizitätsgesellschaft kaufe den Strom bei den Erzeugern für 46 Euro pro Megawattstunde und verrechne ihn den Betreibern für 45 Euro, also sogar unter dem Einstandspreis. Die aber verkaufen den günstigen Strom den Verbrauchern um stolze 75 Euro weiter. Das sei „paradox und unlogisch“.

Wie viel wurde investiert?

Dem „schmutzigen Geschäft“ will Borissow „ein Ende bereiten, egal zu welchem Preis“. Er droht also damit, die im Jahr 2004 abgeschlossenen Privatisierungsverträge zu kündigen.

Diese hatten den ausländischen Betreibern zwei Drittel an den drei Stromnetzen übereignet und der staatlichen NEK ein Drittel belassen. Mehrmals gab es in den letzten Jahren Auseinandersetzungen zwischen den Konzernen und der staatlichen Kommission, die die Strompreise genehmigt.

Sie versteht sich als Interessensvertreter der kaufkraftschwachen Bulgaren und wollte nur moderate Preissteigerungen zulassen. EVN, E.ON und ČEZ aber forderten kräftigere Aufschläge und begründeten dies mit dem Modernisierungsbedarf für die veraltete Elektrizitätsinfrastruktur des Landes.

Borissow aber unterstellt den Unternehmen, falsche Tatsachen vorzuspiegeln. „In meiner Zeit als Bürgermeister von Sofia habe ich wenig von Investitionen mitbekommen, ebenso wenig wie meine Kollegen im ganzen Land. Wenn man mir die Investitionen der Unternehmen zeigen kann, schaue ich mir das gerne überall an.“

Die Angegriffenen kommentieren zurückhaltend: „In einem öffentlich ausgetragenen Streit mit Politikern können nur beide Seiten verlieren“, sagt EVN-Sprecher Stefan Zach auf Anfrage der „Presse“. Auch Eva Novakova erklärt für die Tschechen, dass sie „politische Dinge nicht zu kommentieren pflege“. Dagegen beteuert Alexander Vladkov von E.ON Bulgaria, seine Firma habe von 2005 bis 2009 rund 150 Mio. Euro in die Modernisierung von Stromleitungen und Verteilerstationen in Nordost-Bulgarien investiert und damit die Zahl von Stromausfällen beträchtlich vermindert.

Dividende stopft Budgetloch

Wegen eines ständig nach oben zu korrigierenden Haushaltsdefizits steht die Regierung von Ministerpräsident Borissow unter Druck. Erst vor einigen Tagen hat sie bekannt gegeben, den Zeitplan für die Euroeinführung 2014 aufzugeben. Vorerst verzichtet Bulgarien auf die Bewerbung zum Eintritt in den „Eurowartesaal“ ERM II. In diesem Zusammenhang ist auch die Attacke auf die ausländischen Konzerne zu sehen.

Unmittelbar danach kündigte die stellvertretende Energieministerin Maja Hristova an, von den drei Unternehmen 150 Mio. Euro an Dividende für die letzten fünf Jahre zu fordern – Geld, das der Staatshaushalt dringend brauchen könnte.

Private optimieren besser

Da war allerdings Wirtschafts- und Energieminister Traitscho Traikov gerade auf einer USA-Reise. Kaum zurück, beeilte er sich, den Vorstoß seiner Vertreterin zu dementieren: Lediglich für das Jahr 2009 werde eine Dividende im „einstelligen Millionenbereich“ fließen. Die Rolle der ausländischen Konzerne sieht Traikov, der zuvor für EVN als Prokurist tätig war, auffallend anders als sein Regierungschef: „In den letzten Jahren gab es die wirkungsvollsten Verbesserungen dort, wo wir private Investoren im Energiewesen haben.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.04.2010)

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