Kroatien: „Mehr schaffen, weniger verbrauchen“

Kroatien bdquoMehr schaffen weniger
Kroatien bdquoMehr schaffen weniger(c) Teresa Zötl
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Kroatiens Wirtschaftsminister Ðuro Popijač über das Wetter und den Versuch, „heilige Kühe“ zu schlachten und die Korruption auf ein „akzeptables Maß“ zu reduzieren.

„Die Presse“: Herr Popijač, habe ich im kroatischen Wirtschaftsminister endlich jemanden gefunden, der sich über den Dauerregen in Österreich freuen kann?

Ðuro Popijač: Für den kroatischen Fremdenverkehr ist das wirklich eine gute Nachricht, weil im Sommer hoffentlich alle in den sonnigen Süden fliehen werden.

Ansonsten sieht es mit guten Nachrichten für Kroatien ja nicht so gut aus. Die Krise hat das Land spät, aber dafür umso härter getroffen. Experten erwarten heuer minus zwei Prozent Wirtschaftswachstum. Gleichzeitig steigt die Verschuldung im Land dramatisch schnell an.

Popijač: Kroatien wurde mit Verzögerung getroffen, daher rechnen wir auch mit einer späteren Erholung. Im Vorjahr ging die Wirtschaftsleistung um 5,6 Prozent zurück, 60.000 Jobs gingen verloren. Wir wissen genau, dass das Wachstum heuer, wenn überhaupt, minimal sein wird. Aber auch die Eurozone hat heuer nur ein minimales Wachstum verzeichnet. Schlecht für uns, weil wir eng mit der Eurozone verflochten sind.


Die Regierung hat vor wenigen Wochen ein großes Reformprogramm angekündigt. Premierministerin Jadranka Kosor wurde bereits als „kroatische Maggie Thatcher“ bezeichnet. Über konkrete Ziele und Maßnahmen wurde wenig bekannt.

Popijač: Der Großteil der 130 Maßnahmen aus dem Programm ist auf den öffentlichen Sektor ausgerichtet. Am wichtigsten ist, dass sich der Staat ein wenig aus der Wirtschaft zurückzieht.

Mit welchen konkreten Maßnahmen soll wie viel eingespart werden?

Popijač: Es geht nicht nur um Einsparungen. In erster Linie soll der Verbrauch des öffentlichen Sektors verringert werden. Heuer sieht der Plan etwa drei Prozent weniger Staatsausgaben vor.

Opposition und Gewerkschaften haben das Programm scharf kritisiert. Erste Streiks wurden bereits angekündigt. Man schätzt, dass die Arbeitslosigkeit auf 18 Prozent steigen wird. Rechnen Sie mit heftigem Widerstand gegen das Programm?

Popijač: Von Weltbank bis IWF haben alle wesentlichen Institutionen das Programm gutgeheißen. Aber natürlich versucht die Regierung, Dinge, die bisher „unberührbar“ waren, zu ändern. Das ist ein großer Einschnitt in der Gesellschaft. Kroatien muss sich dahingehend ändern, dass die Menschen mehr schaffen und weniger verbrauchen. Das größte Problem in Kroatien war bislang, dass die Menschen über ihren Möglichkeiten gelebt haben.

Was sind diese unberührbaren Dinge, die jetzt geändert werden sollen?

Popijač: Als Exempel dafür, dass es die Regierung ernst meint, könnte das Pensionssystem dienen. Knapp 100.000 Pensionisten beziehen aus diversen Begünstigungen eine höhere Pension. Eine ganz sensible Gruppe sind natürlich die Veteranen aus dem letzten Krieg. Diese Pensionen werden jetzt um zehn Prozent gekürzt. Allein dadurch wird Kroatien jährlich 100 Millionen Euro einsparen. Zweites Beispiel sind etwa die Arbeitsgesetze, die stets als besonders unflexibel kritisiert wurden.

Wie Sie richtig sagen, ist vor allem die Verschuldung der Privaten ein Problem. Genau die Vergabe dieser Konsumentenkredite war aber auch Kerngeschäft der internationalen Banken. Ist Sparen jetzt der einzige Ausweg oder wie stehen Sie zu einer Abwertung der Kuna?

Popijač: Die Abwertung der Kuna kommt nicht infrage. Die Privatverschuldung ist verglichen mit den Nachbarländern nicht so hoch. Das Problem beginnt erst, wenn die Menschen ohne Arbeit sind. Wenn es uns gelingt, Arbeitsplätze zu schaffen, ist es für die Bürger auch kein Problem, die Kredite zurückzuzahlen.

Im Vorjahr wurden nicht nur weniger Kredite vergeben, auch die ausländischen Direktinvestitionen sind um 55 Prozent eingebrochen. Was soll der kroatischen Wirtschaft künftig Schwung verleihen?

Popijač: Unser Bankensystem ist stabil, es gibt ausreichend Geld, um die Projekte zu finanzieren. Jetzt liegt es an den Privaten aus dem In- und Ausland, den Mut zu fassen und die Projekte auch umzusetzen. Das kann nicht Aufgabe des Staates sein.

Sie sind erst seit wenigen Monaten Wirtschaftsminister. Ihr Vorgänger Damir Polancec ist wegen Korruptionsverdachts in Haft. Er beteuert, so schuldig zu sein wie der Rest der Regierungsspitze. Gibt es weitere Ermittlungen gegen Politiker?

Popijač: Es ist das gute Recht des Beschuldigten, sich zu verteidigen. Mir ist nicht bekannt, dass in dieser Causa weitere Untersuchungsverfahren gegen Politiker laufen. Aber der Fall zeigt, dass niemand mehr „unberührbar“ ist.

Wie ist der Stand der kroatischen Ermittlungen zur Causa Hypo?

Popijač: Ich bin nicht der Polizeichef und nicht der Justizminister. Dazu kann ich gar nichts sagen.

Unternehmer beklagen auch Korruption auf mittlerer Ebene. Was tut Kroatien, um zu verhindern, dass etwa ein Bürgermeister für Genehmigungen die Hand aufhält?

Popijač: Wir hoffen, dass die Maßnahmen auf oberster Ebene auch in der Tiefe greifen. Natürlich können wir mit der Exekutive nicht alles bewältigen. Eine große Hilfe wäre es, wenn diejenigen, die erpresst werden, uns das signalisieren. Das ist auch anonym möglich. Wir hoffen, dass wir die Korruption auf ein akzeptables Maß reduzieren können.

Zur Person

Ðuro Popijač hat im November des Vorjahres den Posten des kroatischen Wirtschaftsministers übernommen. Vorher war der Parteilose Chef des Kroatischen Arbeitgeberverbandes (HUP).

Im Vorjahr erreichte der
Außenhandel mit Österreich ein Volumen von 1,2 Milliarden Euro, erklärte Popijač am Mittwoch bei der Jahresversammlung der Kroatisch-Österreichischen Handelskammer in Wien. In Summe ist Österreich mit Gesamtinvestitionen von 6,2 Milliarden Euro seit 1993 der mit Abstand größte Investor in Kroatien.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.06.2010)

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