Ungarn: Von der Flat Tax bis zum Schnapsbrennen

(c) REUTERS (LASZLO BALOGH)
  • Drucken

Ministerpräsident Viktor Orbán will das staatliche Defizit mit 29 Maßnahmen reduzieren. Am meisten würde die Bankensteuer für das Budget bringen – nur muss sie erst ausgehandelt werden.

BUDAPEST/WIEN. Die „neue Zeitrechnung in der Wirtschaft“, die Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán am Dienstag im Budapester Parlament verkündet hat, wird noch auf sich warten lassen. Nach Ansicht der meisten Analysten bilden die 29 Ankündigungen keinen „Aktionsplan“, sondern ein wildes Durcheinander von ökonomischen Absichten und populistischen Sofortmaßnahmen. Die Nummer neun ließ selbst den Premier schmunzeln: Nachdem die Menschen auf dem Land 90 Jahre dafür gekämpft hätten, „erhalten sie wieder das Recht auf freies Schnapsbrennen“.

Als Fernziel schwebt Orbán vor, die „Blasen“ zu entfernen, die entstanden seien, weil „die Geldmenge die Wertmenge übertrifft“. Ungarn werde nur dann erfolgreich sein, wenn es die Spekulation zurückdränge und den „produzierenden Kapitalismus“ fördere. Dessen Hauptelement sei die Arbeit, die bisher vom Steuersystem bestraft worden sei: „Aus dem ehrlichen, gesetzestreuen Steuerzahler wurde ein Loser.“

„Komischer Mix“

Sándor Richter, Ungarn-Experte am Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (WIIW), sprach von einem „komischen Mix aus Steuersenkungen und neuen Steuern“. Auf der einen Seite sei zu begrüßen, dass die Unternehmenssteuer für Firmen mit weniger als 500 Millionen Forint (1,7 Mio. Euro) Gewinn von 19 auf zehn Prozent reduziert werde. Auf der anderen Seite bevorzuge die neu zu schaffende Familienbesteuerung mit einer Flat Tax von 16 Prozent die Besserverdiener.

Wirklich hart klingen Orbáns Maßnahmen gegen die Bürokratie. Er will 120 Mrd. Forint einsparen, indem bei staatlichen Institutionen ein Ausgabenstopp verfügt, die Budgetierung der Ministerien überprüft sowie das Entlohnungssystem umstrukturiert wird. Die Lohnsumme soll um 15 Prozent reduziert werden. Die höchsten Gehälter werden mit zwei Mio. Forint monatlich gedeckelt. Zusätzlich werden 59 von 319 Direktionsposten sowie 180 von 636 Aufsichtsratsjobs im Staatsbereich gestrichen. Das soll 48 Mrd. Forint bringen. Die Parteienfinanzierung wird um 15 Prozent gekürzt.

Eine gute Nachricht gab es für alle Ungarn, die durch die radikale Verteuerung von Fremdwährungskrediten an den Rand des Bankrotts geraten sind: Orbán will bis Jahresende verbieten, Schuldner auf die Straße zu setzen. Während die Regierung mit der Finanzwirtschaft verhandelt, sollen Hypotheken nur noch auf Forint-Kredite eingetragen werden können. Danach wird es Fremdwährungskredite wohl nur noch in Euro geben.

Nach ersten Berechnungen schätzt Richter, dass es die 29 Maßnahmen Ungarn ermöglichen sollten, das heurige Defizitziel von 3,8 Prozent des BIPs zu halten. Entscheidend dafür sei, ob der große Geldbringer des Programms, die Bankensteuer, schon heuer voll eingeführt werden kann. 200 Mrd. Forint sollen damit in die Staatskasse fließen. Orbán verbat sich „bankenfeindliche Losungen“.

Er meinte aber, dass Geldinstitute, Versicherungen und Finanzleasingfirmen nach den sofort beginnenden Verhandlungen „einen gerechten Anteil bei der Bekämpfung der Sorgen“ übernehmen sollen. Richter meldet Zweifel an: „Wird sie noch heuer in vollem Umfang eingeführt, frisst die Steuer ein Viertel der Gewinne der Institute auf. Ich bin nicht sicher, dass die Banken das schlucken.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.06.2010)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Ungarns Premier Orban praesentierte
Außenpolitik

Ungarns Premier Orbán präsentiert Sparplan

Der ungarische Regierungschef Viktor Orbán hat im Parlament seine Sparvorhaben präsentiert. Ungarn soll demnach eine Bankensteuer einführen und im öffentlichen Sektor sparen.
pleite Ungarn wirklich
Eastconomist

Wie pleite ist Ungarn wirklich?

Die Andeutung ungarischer Politiker, das Land stehe vor dem Staatsbankrott, ließ Börsen, Euro und Forint abrutschen. Hauptaufgabe der neuen Regierung unter Ministerpräsident Viktor Orbán ist es nun, dies abzuwenden.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.