Ungarn: Victor Orbáns "Schnaps-Idee"

Ungarn Victor Orbns SchnapsIdee
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Die Mitte-rechts-Regierung ist fest entschlossen, das Schnapsbrennen in Ungarn zu liberalisieren. Laut Gesetz müssen heute sowohl der Verkäufer als auch der Käufer von hausgemachtem Schnaps schwere Strafen gewärtigen.

Budapest. Wie viele seiner Landsleute ist Regierungschef Viktor Orbán dem selbst gebrannten „Pálinka“ offenbar nicht abhold. Im Rahmen seines kürzlich vorgelegten wirtschaftlichen Aktionsplans kündigte Orbán nämlich an, in Ungarn die Schnapsbrennerei zu liberalisieren.

Die Idee zu diesem Schritt war dem Regierungschef noch während des Wahlkampfes zu den Parlamentswahlen im April gekommen. Bei einer Visite in Serbien wurde Orbán von der ehemaligen Spielerin des ungarischen Handballnationalteams, der serbischstämmigen Bojana Radulović, eingeladen, wobei ihm auch einige Hausbrände aufgetischt wurden. Orbán war vom selbst gebrannten serbischen Schnaps so angetan, dass er schon kurz darauf vor Journalisten verkündete, die Herstellung von hausgemachtem „Pálinka“ auch in Ungarn zu legalisieren.

30 Prozent Schattenwirtschaft

Orbán hielt Wort. Seine Mitte-rechts-Regierung ist fest entschlossen, das Schnapsbrennen in Ungarn zu liberalisieren. Laut Gesetz müssen heute sowohl der Verkäufer als auch der Käufer von hausgemachtem Schnaps schwere Strafen gewärtigen. Derzeit dürfen mehr als fünfhundert Branntweinbrennereien legal Schnaps herstellen, davon produzieren rund 50 Brennereien für den Handel.

Will jemand für den eigenen Konsum Schnaps brennen, muss er nachweisen können, dass er Obstanbau betreibt. Doch gelten auch hier strenge gesetzliche Auflagen: Für den eigenen Bedarf dürfen pro Jahr maximal 50 Liter 100-prozentiger „Pálinka“ gebrannt werden. Nimmt man den 50-prozentigen „Durchschnittsschnaps“ zur Grundlage, dürfen für den eigenen Genuss jährlich maximal 86 Liter hergestellt werden.

Der Hausschnaps wird in Ungarn in der Regel in sogenannten Mietbrennereien gebrannt. Pro Liter „Pálinka“, der in einer Mietbrennerei produziert wird, ist eine ermäßigte Alkoholsteuer in Höhe von 590 Forint abzuführen. Für den Branntwein, der in den Handel kommt, muss die volle Alkoholsteuer in Höhe von 1180 Forint entrichtet werden. Im Vorjahr zahlten die legal betriebenen Schnapsbrennereien rund acht Milliarden Forint (knapp 29 Millionen Euro) an Alkoholsteuer in die Staatskasse ein.

Auch in puncto Alkoholgehalt müssen in Ungarn Auflagen erfüllt werden: Bei selbst gebranntem „Pálinka“ hat der Alkoholgehalt zwischen 37 und 86 Prozent zu liegen. Beim handelsüblichen Schnaps darf er 55 Prozent nicht überschreiten. Angesichts der strengen Vorschriften ist in Ungarn das illegale Brennen von Schnaps weit verbreitet. Das ist nicht überraschend in einem Land mit einer Schattenwirtschaft von rund 30 Prozent des Bruttoinlandproduktes. Laut Schätzungen werden in Ungarn 400 bis 500 Branntweinbrennereien sowie 30.000 bis 40.000 Schnapsbrenngeräte illegal betrieben.

Die von der Regierung Orbán geplante Legalisierung der illegalen Schnapsbrennereien wurde mit viel Kritik bedacht. Die Kritiker weisen darauf hin, dass die völlige Liberalisierung des Schnapsbrennens zum Aus vieler Brennereien führen könnte, die den „Pálinka“ heute legal herstellen. Außerdem würden dem Staat durch den möglichen Wegfall der Alkoholsteuer Einnahmen durch die Lappen gehen.

Hürde Brüssel, Vorbild Österreich

Wenn auch die Kritik bei der Regierung auf taube Ohren stößt, so könnte ihren Absichten letztlich die EU einen Strich durch die Rechnung machen. Zur Streichung der Alkoholsteuer ist nämlich das Einverständnis Brüssels erforderlich, und das ist mehr als fraglich. Ungarn könnte sich auf das Beispiel Österreichs berufen, wo das private Branntweinbrennen steuerfrei ist.

Allerdings dürfen auch in Österreich nur jene Personen Schnaps herstellen, die Obstbau betreiben. Zudem unterliegen sie strengen behördlichen Kontrollen und jährlichen Mengenbeschränkungen bei der Produktion.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.06.2010)

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