Ungarn ringt mit IWF und Banken

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Die Bankensteuer ist der strittigste Punkt im Wirtschaftsprogramm. Am Dienstag rätselten in Budapest Experten, wie die erste Gesprächsrunde mit einer Delegation des Internationalen Währungsfonds (IWF) verlaufen ist.

Budapest. Ungarns Regierung ist je nach Sichtweise in einer beneidenswerten oder aussichtslosen Lage. Auf der einen Seite steht ein 28 Punkte umfassendes Wirtschaftsprogramm, das neben harten Sparmaßnahmen wie dem Abbau der Beamtenschaft auch Anreize zur Ankurbelung der Wirtschaft enthält. Auf der anderen Seite steht die sogenannte Bankensteuer – Maßnahme Nummer 29–, die von der Geldbranche mit fast allen Mitteln bekämpft wird.

Am Dienstag rätselten in Budapest Experten wie Normalverbraucher, wie die erste Gesprächsrunde mit einer Delegation des Internationalen Währungsfonds (IWF) verlaufen ist. Vorher sollen sich nämlich die Banken der „Wiener Initiative“– die „österreichischen“ Geldinstitute Erste Bank, Raiffeisen und UniCredit sowie KBC, Intesa Sanpaolo und BayernLB– über Höhe und Härte der Bankensteuer beklagt haben.

Der IWF kann da wohl schwer vermitteln: Will er einen neuen Vertrag mit Ungarn schließen, muss er ein Lockmittel haben– die Unterbindung der Bankensteuer wäre wohl das falsche Signal. Ungarns Regierung gibt sich betont gleichgültig. Man entscheide im Frühherbst, ob man überhaupt eine neue Vereinbarung mit dem IWF wolle, meinte Wirtschaftsminister György Matolcsy.

Wie berichtet, meinte Ministerpräsident Viktor Orbán, Ungarn sei nicht unbedingt auf neue Finanzhilfen angewiesen. Im Gegenteil: Das Land wolle den Rahmenkredit von 2008 nicht im Gesamtausmaß von 20 Mrd. Euro ausschöpfen. Ungarn ist aber nicht nur dem IWF, sondern auch der EU-Kommission im Wort, das vereinbarte Defizitziel von 3,8 Prozent des Bruttoinlandsproduktes nicht zu überschreiten. Gleichsam um den Willen zur Einschränkung zu unterstreichen, gab das Statistische Zentralamt soeben bekannt, dass bereits 118,9 Prozent des Jahresdefizits erreicht seien– mehr Überziehung sei nicht möglich.

Zu Verhandlungen bereit ist die Regierung indes über die Fortsetzung der auf zwei Jahre angesetzten Bankensteuer. Dass die Gespräche ausgesetzt worden sind, empfinden Regierungs- wie Bankenvertreter als sinnvoll– wollen das aber öffentlich nicht zugeben. Matolcsy meinte, der Bankenverband habe sich zurückgezogen, also müsse sich dieser wieder melden.

Kritik an Höhe der Bankensteuer

Umgekehrt werden mit dem Lobbying derart viele Energien gebunden, dass die Geldinstitute nicht einmal ein ordentliches Dementi zusammenbrachten, als ihnen Medien vorwarfen, sie verdienten zusätzlich an Fremdwährungskrediten, indem sie die Wechselkurse willkürlich festlegen. Der Bankenverband zeigt sich in offiziellen Stellungnahmen zahm. Man habe die Verhandlungen nicht abgebrochen, wie dies Matolcsy laut der Nachrichtenagentur Reuters behauptet haben soll; man wollte nur die ausländischen Mütter konsultieren, bevor man strategische Verpflichtungen einginge.

Besonders hartnäckig verweisen die Banken auf die Unverhältnismäßigkeit der Steuer: In Ungarn sollen sie 0,45 Prozent der Bilanzsumme zahlen, noch dazu in zwei Raten im September und Dezember und nicht im Nachhinein. In Schweden haben sie nur 0,036 Prozent der Bilanzsumme abzuführen, und in Österreich ist auch nur von 0,07 Prozent die Rede.

Im Parlament läuft die Gesetzesmaschinerie auf Hochtouren. 16 der 29 Punkte des Orbán'schen „Aktionsplanes“ sollen diese Woche mit Regierungsmehrheit beschlossen werden. Die meisten Punkte sind juristisch heikel, aber in den finanziellen Auswirkungen beinahe läppisch. Schließlich sollen zwei Drittel der einzusparenden 300 Mrd. Forint (etwa 1,1 Mrd. Euro) vom Finanzsektor kommen.

Den Löwenanteil, 120 Mrd. Forint, müssten die Banken einzahlen, 36 Mrd. Forint sollten nach Matolcsys Vorstellungen von den Versicherungen kommen, der Rest von der Börse, Finanzmaklern und Investmentfonds. Was die 16 Punkte des Aktionsplans betrifft, so müssen Gesetze an 58 Stellen geändert werden. Zu den wichtigsten Schritten gehört die Reduktion der Unternehmenssteuer von 19 auf zehn Prozent, wenn der Gewinn unter 500 Mio. Forint liegt. Am massenwirksamsten ist die Deckelung des Einkommens der Staatsbediensteten mit zwei Mio. Forint monatlich. Abfertigungen sollen maximal zwei Monatsgehälter betragen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.07.2010)

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