Energie: Tschechien zieht die Solarnotbremse

(c) AP (Christof Stache)
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Um höhere Strompreise zu vermeiden, bremst Prag den Solarstrom-Boom durch eine neue Steuer. Ein Todesstoß für kleinere Betreiber. Bis zu 1450 Firmen würden durch die neue Steuer geschädigt.

Prag. Eine gegen Solarenergie gerichtete radikale Gesetzesänderung sorgt in Tschechien für Aufregung. Während weltweit versucht wird, den Anteil an erneuerbarer Energie zu erhöhen, fürchtet sich Tschechien vor zu viel Alternativenergie, vor allem vor teurem Solarstrom. Ein regelrechter Solar-Boom hat Ängste geweckt, der Strompreis könnte explodieren und das Netz instabil werden.

Mit großer Mehrheit hat das Unterhaus des Parlaments deshalb ein von der Mitte-rechts-Regierung vorgelegtes Gesetz beschlossen, das von den Medien fast einhellig als notwendige „Fotovoltaik-Bremse“ begrüßt wurde. Es schreibt eine Steuer von 26 Prozent auf alle Einnahmen aus dem Betrieb von Solaranlagen vor, die voriges Jahr oder heuer in Betrieb genommen wurden.

Finanzminister Miroslav Kalousek rechnet mit mehr als vier Mrd. Kronen (160 Mio. Euro) an zusätzlichen Steuereinnahmen. Er will sie aber an die Stromdistributoren weiterreichen, damit sie damit den erwarteten Anstieg der Strompreise für die Verbraucher dämpfen. Für Solaranlagen, die ab kommendem Jahr fertig werden, reduziert sich mit dem Gesetz der Tarif für die Einspeisung ins Netz auf weniger als die Hälfte.

Klaus: „Förderung war Unsinn“

Die Betreiber von Solaranlagen betrachten die Novelle als Todesurteil: „Was mein Vater und ich in unsere Anlage investiert haben, werden wir nie im Leben wieder hereinbringen“, klagte einer der kleineren privaten Anlagenbetreiber im Fernsehen. Vor allem für kleinere Investoren bedeute die Steuer den sicheren Ruin, beklagte sich ein anderer.

Um die Errichtung von neuen Solaranlagen künftig unattraktiver zu machen, beschlossen die Parlamentarier zugleich eine Erhöhung der Gebühr für die Umwidmung von Landwirtschaftsflächen zur Energiegewinnung.

Staatspräsident Vaclav Klaus macht aus seiner Zustimmung kein Hehl: „Jeder weiß, dass wir alle noch Jahrzehnte für den Unsinn bezahlen werden, die Fotovoltaik zu fördern.“ Die Opposition zieht mit der Regierung großteils an einem Strang, verweist aber auf ein Risiko: Weil das Gesetz zum Teil rückwirkend gelten soll, drohen Klagen von Betreibern vor internationalen Schiedsgerichten. Diese könnten Strafzahlungen von mehreren Milliarden Euro zur Folge haben, warnte etwa der Sozialdemokrat David Rath.

Bis zu 1450 Firmen würden durch die neue Steuer geschädigt, schätzt die Vereinigung der Solaranlagen-Betreiber. Dank eines Gesetzes von 2005 hatten nämlich die Betreiber von Solaranlagen, aber auch die Erzeuger von anderen erneuerbaren Energieformen Abnahmegarantien zu über dem Marktniveau liegenden Preisen zugesichert bekommen, die auf Basis der damals noch hohen Errichtungskosten berechnet wurden.

Rasch sinkende Kosten hatten aber vor allem Fotovoltaik-Anlagen zu einem lukrativen Geschäft werden lassen. Laut Medienberichten erreichen sie bereits eine Gesamtkapazität von 1034 MW, das ist mehr als ein Block des Atomkraftwerks Temelin.

Abnahmegarantie bleibt

Die Mengen an Solarstrom nehmen atemberaubend schnell zu, sind aber im Vergleich zu Atomstrom und konventionellen Energiequellen teurer. Weil die Distributoren dennoch verpflichtet sind, sie abzunehmen, wären die tschechischen Strompreise laut Regierung zum Jahreswechsel um bis zu 20 Prozent gestiegen. Das hätte einen Aufstand der Konsumenten ausgelöst. Die Abnahmegarantie einfach zu streichen, wäre zwar eine einfachere Lösung gewesen als die jetzt gewählte Gesetzesänderung. Sie hätte aber ein noch viel größeres Risiko von Milliardenklagen gegen die Tschechische Republik bedeutet, erklärt der auf Energierecht in Tschechien und der Slowakei spezialisierte österreichische Jurist Bernhard Hager.

In der benachbarten Slowakei wurde schon im Mai eine Novelle des Energiegesetzes beschlossen, die die Möglichkeiten für Solarenergie massiv einschränkt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.11.2010)

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