Nachbarn in der Bierkrise

(c) AP (PETER DEJONG)
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Slowakische Brauereien wehren sich gegen höhere Biersteuern. Tschechien hat die Steuererhöhungen bereits hinter sich. Die Branche steckt in der größten Krise seit der Wende.

Bratislava/Prag. Wenn sich die Steuerpläne der Regierenden in Tschechien und der Slowakei auf den Bierpreis niederschlagen, löst das aufgeregte Proteste aus. Der Slowakei drohe der „höchste Steuersatz auf Bier in der ganzen Region, inklusive Österreich“, kritisierten die Bierbrauer das Vorhaben von Premierministerin Iveta Radičová, ab kommendem März den Steuersatz auf Bier von derzeit 16,5 auf 24,5 Euro pro Hektoliter – also um knapp 50 Prozent – anzuheben. Der Chef von Topvar, einer der größten Brauereien des Landes, warnte davor, dass unter den preisbewussten Slowaken ein Biereinkaufstourismus in die Nachbarländer einsetzen werde. Selbst das in der Slowakei erzeugte Bier wäre dann im benachbarten Tschechien billiger als zu Hause.


„Bierweltmeister“ im Sinkflug
Dabei ist es gerade die traditionelle Bierhochburg Tschechien, in der die Alarmglocken noch lauter schrillen als in der Slowakei: Der tschechische Biermarkt sei in die größte Krise seit der Wende vor über zwanzig Jahren geschlittert, eine Besserung sei nicht in Sicht. Allein im bisherigen Verlauf des Jahres 2010 sei der Absatz um zwölf Prozent gegenüber dem bereits schlechten Vorjahr abgestürzt, klagt der tschechische Brauereiverband gegenüber der Prager Wirtschaftszeitung „Hospodářské Noviny“.

Da traute sich die neue Regierung gar nicht erst, die Bierproduzenten wie in der Slowakei mit einer neuen Steuer zu behelligen. Denn schon den Steuererhöhungen der Vorgängerregierung geben die nationalen Bierbrauer eine Mitschuld an den jüngsten Bierpreiserhöhungen. Sie bekennen aber, dass der Staat nicht allein für ihre Misere verantwortlich sei. Gestiegene Steuern und Produktionskosten hatten zwar in den vergangenen Jahren die Bierpreise in die Höhe getrieben. Dazu kamen aber auch die Auswirkungen der Wirtschaftskrise: Sie nötigte die Tschechen auch bei ihrem bisher quasi geheiligten Bier sparsamer zu werden.

Doch nicht nur den Tschechen selbst scheint die Krise die Lust auf ihr Nationalgetränk verdorben zu haben. Dass sich die Tschechen mit einem Pro-Kopf-Verbrauch von 160 Litern pro Jahr als Weltmeister im Biertrinken rühmen können, haben sie in Wirklichkeit ausländischer Hilfe zu verdanken. Weil Prag und Böhmen nun einmal ohne Bier nicht vorstellbar sind, ließen sich auch die Touristen in den tschechischen Beiseln seit Jahren kräftig einschenken.

Dass in der Wirtschaftskrise viel weniger Besucher kamen, wirkte sich entsprechend auf den Bierverbrauch aus und bringt sogar die tschechische Spitzenposition in den nächsten Biertrinkerstatistiken in Gefahr. Dass das tschechische Bier etwas Besonderes sei, hat schon vor zwei Jahren die EU gewürdigt. Seit 2008 ist die Bezeichnung „České pivo“ (tschechisches Bier) als geschützte Qualitätsbezeichnung registriert. Und sogar gegenüber den auch nicht gerade als Bier-Amateure geltenden Deutschen leisten sich tschechische Brauereien immer wieder provokant belehrende Werbekampagnen, mit denen sie in Deutschland auf ihre eigene Reinheit und Qualität hinweisen.


Slowaken kippen Biersteuer
„Die Würde des Bieres ist unantastbar“, lautete etwa vor zwei Jahren ein tschechischer Werbespruch (Pilsner Urquell) gegen die auch hierzulande verbreitete „Unsitte“ von Bier mit Zusatzstoffen und Beimischungen à la Radler. Umso mehr schmerzt den traditionsbewussten tschechischen Bierbrauern (von denen viele längst ausländischen Konzernen gehören) die zunehmende Konkurrenz von ausländischem Billigbier, vor allem aus Polen, auf ihrem eigenen Heimatmarkt.

Die slowakischen Nachbarn haben nicht zuletzt die tschechischen Erfahrungen vor Augen, wenn sie jetzt vor Preissteigerungen durch die drohende Biersteuererhöhung warnen. Seit 2003 ist der Bierkonsum in der Slowakei auf Sinkflug.

Neben wiederholten Steueranhebungen und den Auswirkungen der Wirtschaftskrise geben die slowakischen Brauer aber auch dem Wetter die Schuld daran: Kühlere Sommer hätten zuletzt den Durst merklich vermindert. Und tatsächlich zog der Finanzausschuss des slowakischen Parlaments in letzter Minute den unterschriftsreifen Beschluss wieder zurück – und die Biersteuererhöhung um fast 50Prozent ist vom Tisch: Man müsse halt jetzt nach anderen Einnahmequellen suchen, gab sich Finanzausschuss-Vorsitzender Jozef Kollar einsichtig.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.11.2010)

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