Ungarn bittet den Handel zur Kassa

Ungarn bittet Handel Kassa
Ungarn bittet Handel Kassa(c) EPA (Patrick Lux)
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Nach den Banken müssen auch österreichische Handelsfirmen zur Budgetsanierung in Ungarn beitragen. Ein 1,8 Mrd. Euro großes Budgetloch will gestopft werden. Die EU-Kommission wird das nun prüfen.

Budapest/Wien. Ungarns Regierungschef Viktor Orbán verlässt sich im Kampf gegen die Budgetnöte seines Landes ganz auf ausländische Konzerne. Erst bat er die Banken zur Kassa. Am Samstag tritt nun ein Gesetz in Kraft, das zusätzliche Abgaben für Energie-, Telekom- und Handelsunternehmen vorsieht. Ein 1,8 Mrd. Euro großes Budgetloch will gestopft werden. 700 Mio. im Jahr sollen die Banken beisteuern, 600 Mio. sollen aus der neuen Sondersteuer kommen.

Sie wird zu 90 Prozent von ausländischen Unternehmen bezahlt werden. In Österreich sind vor allem Handelsfirmen betroffen. 30 Mio. Euro wird das die Branche im Jahr kosten, schätzt die Wirtschaftskammer. 25 Mio. Euro davon schultert die österreichische Handelskette Spar. Die Nummer zwei auf dem Markt muss 2,5 Prozent des Umsatzes extra abführen. „Es ist eine zutiefst unfaire Steuer“, sagt eine Sprecherin zur „Presse“.

Essl: „Völlig unverständlich“

Sie beklagt vor allem, dass die Steuer offenbar genau auf internationale Konzerne zugeschnitten sei. Tatsächlich kommen die meisten einheimischen Handelsfirmen ungeschoren davon. Dafür sorgt eine Umsatzgrenze, ab der die Steuer erst zu bezahlen ist. „Die ungarischen Konkurrenten wie Coop oder CBA sind überwiegend genossenschaftlich organisiert“, erklärt die österreichische Handelsdelegierte in Ungarn, Erika Teoman-Brenner. Jede einzelne „Filiale“ werde als eigener Betrieb bewertet und bleibe damit klar unter der erforderlichen Umsatzschwelle.

Ausländische Investoren haben unterdessen Mühe, angesichts des populistischen Kurses des konservativen Regierungschefs für die Zukunft zu planen. So wurde die Sondersteuer erst vor wenigen Wochen, aber rückwirkend für das gesamte Jahr 2010 beschlossen. „Dieses Vorgehen ist völlig unverständlich“, sagt Baumax-Chef Martin Essl, zur „Presse“. Die Lage für Handelsbetriebe sei in Ungarn wegen der gesunkenen Konsumlust ohnedies schlecht genug. An einen Abzug seiner 15 Standorte im Land denkt Essl dennoch nicht.

Ende 2012 sollte eigentlich Schluss sein mit den Sondersteuern. Seit wenigen Wochen will Orbán aber auch davon nichts mehr wissen. „Mit den Betroffenen wird dann zu verhandeln sein, auf welche Weise sie sich weiter an den gemeinsamen Lasten beteiligen werden“, erklärte er jüngst.

EU-Kommission soll Krisensteuer prüfen

Ungarns Krisensteuern sind juristisch umstritten. Die Bevorzugung ungarischer Unternehmen sei mit dem Wettbewerbsrecht der EU unvereinbar, argumentieren Kritiker. Der österreichische EU-Parlamentarier Othmar Karas hat daher am Mittwoch eine schriftliche Anfrage an die EU-Kommission gerichtet. Sie soll klären, ob eine Diskriminierung ausländischer Unternehmen vorliege und wie diese zu beseitigen sei.

Nur wenige Wochen, bevor Ungarn den EU-Vorsitz übernimmt, muss Budapest damit schon mehrere Scharmützel mit Brüssel austragen. Erst vor wenigen Tagen verfügte Orbán die Zwangsverstaatlichung des privaten Pensionssystems. Knapp elf Mrd. Euro sollen so zurück in das staatliche Rentensystem fließen. Die EU-Kommission kritisierte, die Regierung wolle das in den privaten Pensionsfonds angesparte Vermögen für ihre Ausgaben von heute nutzen. Die privaten Pensionsfonds wollen den Schritt vor EU-Gerichten bekämpfen.

Auch im Land selbst wird Orbáns Kurs von manchen kritisch betrachtet. So musste die Nationalbank Anfang der Woche den Leitzins auf 5,5 Prozent erhöhen – aus Sorge darüber, dass die umstrittenen Steuerpläne die Inflation anheizen. Der stotternden Wirtschaft und den vielen Arbeitslosen hätten niedrige Zinsen wohl besser getan.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.12.2010)

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