Investoren trauen sich wieder nach Russland

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Ein US-Fonds erwirbt ein Fünftel der Firma des Computervirenbekämpfers Kaspersky. Auch generell gilt: Ausländische Konzerne investieren wieder in Russland. Die mangelnde Rechtsunsicherheit scheint vergessen.

Moskau. Nach einer längeren Flaute scheinen ausländische Investitionen in Russland plötzlich wieder in Mode zu kommen. Hat PepsiCo im Dezember für 3,8 Mrd. Dollar seinen russischen Konkurrenten Wimm-Bill-Dann übernommen und der britische Ölkonzern BP soeben den Einstieg beim Ölkonzern Rosneft mitgeteilt, so ist nun der IT-Sektor an der Reihe. Wie am Donnerstag bekannt gegeben wurde, steigt der US-Finanzinvestor General Atlantic beim russischen Anbieter von Sicherheitssoftware Kaspersky Lab (KL) ein. Die Amerikaner werden hinter Firmengründer Eugene Kaspersky zum zweitgrößten Anteilseigner. Der genaue Anteil wurde nicht genannt, russische Medien schreiben von 15 bis 20 Prozent.

KL gilt als Vorzeigeunternehmen jenseits des dominanten Rohstoffsektors. Durch seine hohen Erkennungsraten und kurzen Reaktionszeiten spielt es seit geraumer Zeit auch international vorne mit. Laut dem Marktforscher IDC hielt KL 2009 bei 5,8Prozent Marktanteil bei PC-Schutzprogrammen hinter Symantec, McAfee und TrendMicro, für 2010 erwartet das Unternehmen 7,5Prozent. Experten schätzen den Marktwert von KL auf über eine Mrd. Dollar.

Der Betrieb sei ein internationaler Spieler, brauche aber Zugang zum internationalen Kapitalmarkt, wobei der US-Investor – auch im Hinblick auf einen möglichen Börsengang – mit seiner Erfahrung hilfreich sein könnte, sagt KL-Aufsichtsratschefin Natalja Kasperskaja. Vor allem bei der Expansion in den Unternehmensbereich besteht Aufholbedarf, während die Russen im Privatkundenbereich ohnehin stark aufgestellt sind.

Abhängig von Putins Gnade

Mit dem neuen Investitionsreigen wird angedeutet, dass die am 30. Dezember erfolgte umstrittene Verurteilung des Ex-Ölmagnaten Michail Chodorkowski Investoren womöglich doch nicht so sehr abschreckt wie befürchtet. Beim Wirtschaftsforum in Davos nächste Woche werde man klarer sehen, meint der russische Präsidentenberater Arkadi Dworkowitsch.

Chodorkowskis Ölkonzern Yukos war 2004 zerschlagen und Rosneft einverleibt worden. Mangelnde Investitionssicherheit bekamen freilich auch ausländische Konzerne zu spüren. Vor einigen Jahren konnte etwa der Tiroler Spanplattenhersteller Egger sein fertiges Werk in der Nähe von Moskau wegen Behördensabotagen über ein Jahr lang nicht in Betrieb nehmen. 2007 dann musste der jetzige BP-Chef, Robert Dudley, überhaupt flüchten, nachdem ihm die russischen Anteilseigner am britisch-russischen Ölkonzern TNK-BP die Behörden auf den Hals gehetzt hatten, weil BP seine „Halbtochter“ aus Angst vor Konkurrenz an einer Expansion im Ausland behindert hatte. Ähnlich erging es der norwegischen Telenor, die vor den Attacken ihrer russischen Geschäftspartner bei Mobilfunkkonzern Vimpelcom von Premier Wladimir Putin geschützt werden musste.

Vor Gazprom gab es indes keinen Schutz mehr. Wenn Gazprom Gasfelder übernehmen wollte, rief es die Behörden zu Hilfe. So kam der Konzern Shell 2006 um die größte Auslandsinvestition in Russland und musste seine Mehrheit am Flüssiggasprojekt Sachalin-2 an Gazprom abtreten. In einem ähnlichen Fall, dem sibirischen Gasfeld Kovykta, sucht der Lizenzinhaber TNK-BP Schutz in der Insolvenz seiner dortigen Betreiberfirma und versteigert das Gasfeld nun im Februar. Die Unternehmerfreundlichkeit – Russland ist im Weltbank-Ranking auf Platz123 von 183 Ländern abgesackt – zu heben, gilt seit der Finanzkrise als Credo.

Suche nach Wachstumsmotoren

Russlands Wirtschaft braucht neue Wachstumsmotoren. 2010 ist sie nur mit 3,8Prozent gestiegen. Dazu kam ein unerwartet hoher Netto-Kapitalabfluss von 38,3 Mrd. Dollar. Manches erklärt sich mit der Abzahlung von Auslandsschulden. Viele Unternehmer hätten es aber auch vorgezogen, im Ausland zu investieren, sagt der Analyst Alexej Moissev. Das zeigt auch die Dynamik der ausländischen Direktinvestitionen: Demnach bleibt Russland mit einem Zuwachs von 2,5Prozent 2010 auf insgesamt 39,7 Mrd. Dollar laut UNO-Statistik (UNCTAD) deutlich unter dem Schnitt der Schwellenländer (plus 9,7Prozent).

Auf einen Blick

Ausländische Konzerne investieren plötzlich wieder in Russland. So kaufte etwa ein US-Fonds soeben ein Fünftel des russischen Antivirenspezialisten Kaspersky.

Frühere Fälle mangelnder Rechtssicherheit scheinen die Investoren vergessen zu haben – auch den Fall Chodorkowski.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.01.2011)

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