Tschechische Bahn: Schwitzen auf dem Weg nach Prag

Tschechische Bahn Schwitzen nach
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Eine Fahrt mit der Tschechischen Bahn erfreut höchstens Nostalgiker. Uralte Züge sorgen für Ärger. Schon zwei Jahre wartet man auf neue Fernzugloks aus Pilsen, doch die Auslieferung verzögert sich immer weiter.

Prag/N-ost. „Es tut mir leid, wir haben kein warmes Essen, seit Berlin ist die Elektronik ausgefallen“, so begründet der Kellner die Flaute auf der Speisekarte. Verantwortlich sei die Hitze. Erst nach Prag sei wieder mit dem Anspringen des Systems, das noch aus DDR-Zeiten stammt, zu rechnen. Für die meisten Gäste im Eurocity nach Tschechien zu spät. Die Fahrt mit tschechischen Zügen von Berlin oder Wien nach Prag erfreut höchstens Nostalgiker. Bei den übrigen Gästen sorgen die uralten Züge für Ärger – besonders im Sommer, wenn in den alten Zügen oft die Elektronik schlapp macht.

Jahrelang fuhr die Tschechische Staatsbahn (ČD) wegen notorischen Geldmangels auf der puren Substanz. Obwohl inzwischen die Modernisierung eingeleitet wurde, hat der Fuhrpark immer noch ein Durchschnittsalter von 20 Jahren.

Verspätungen sind die Regel

Besonders eklatant macht sich das auf den internationalen Strecken bemerkbar, wo die Tschechische Bahn im Wechsel mit der Deutschen Bahn, den ÖBB und der ungarischen Staatsbahn ihre Züge im Einsatz hat. Eurocitys fahren schon mal hunderte Kilometer im Dunkeln, Passagiere müssen im Winter ohne Heizung auskommen. Verspätungen, deren Ursachen „auf dem tschechischen Staatsgebiet entstanden“ sind, sind die Regel.

Das Drängen der Partnerbahnen an die ČD, doch endlich neuere Züge einzusetzen, wurde stärker. Doch einer baldigen Modernisierung der Eurocity-Verbindungen steht ein Streit der ČD mit der Pilsener Škoda Transportation im Weg. Schon zwei Jahre wartet die Tschechische Bahn auf neue Fernzugloks aus Pilsen. Die Auslieferung verzögert sich weiter, doch die Geduld der Tschechen ist scheinbar grenzenlos. Škoda, nicht zu verwechseln mit der Volkswagen-Tochter Škoda Auto, ist der tschechische Platzhirsch des Schienenfahrzeugbaus. Die Aufträge der Tschechischen Bahn gingen fast automatisch immer an die Freunde aus Pilsen.

In der Not griff die Tschechische Bahn zum Tabubruch. Ein Angebot der ÖBB zum Abkauf von 16 nicht benötigten, neuen Hochgeschwindigkeitszügen der Siemens-Marke Railjet kam gerade recht. Mit einem Schlag wollten die Tschechen ihren ramponierten Ruf aufpolieren. Der Gegenschlag aus Pilsen ließ aber nicht lange auf sich warten. Škoda beschwerte sich beim Kartellamt und der Europäischen Kommission. Die Tschechische Bahn hätte den 20-Millionen-Euro-Auftrag öffentlich ausschreiben müssen.

Der Deal ist vorerst gestoppt

Für die Bahnmanager, die immer noch auf ihre versprochenen Loks aus Pilsen warten, war das starker Tobak. „Škoda ist nicht in der Lage, Züge zu liefern, die eine Fahrgenehmigung in Tschechien, Deutschland, Österreich und Ungarn erhalten“, reagiert Petr Stahlavsky, Sprecher der Tschechischen Bahn erbost. „Wir können innerhalb von 24 Monaten liefern“, kontert Josef Bernard, Generaldirektor von Škoda Transportation, ohne dem Kartellamt weitere Details vorlegen zu wollen. Das tschechische Kartellamt hat den Deal mit der ÖBB trotzdem per einstweiliger Verfügung gestoppt. Der Ausgang des Verfahrens ist offen. Er reicht von seiner Einstellung bis zur Stornierung des Railjet-Auftrags. Škoda dürfte zufrieden sein. Die Pilsener haben zunächst verhindert, dass Siemens auf „heimische“ Gleise kommt. Die Reisenden müssen also noch länger ohne warmes Essen nach Prag fahren – und sich im Winter dicke Pullover anziehen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.08.2011)

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