Eurokrise: Balkan fürchtet "hellenische Grippe"

Balkan fuerchtet hellenische Grippe
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Die Staaten des früheren Jugoslawien blicken sorgenvoll nach Rom und Athen. Sie fürchten wegen der Wirtschaftsverflechtungen ein Überschwappen der Schuldenkrise.

Belgrad. Selbst im Vorwahlkampf ist Serbiens sorgengeplagtem Landesvater die Lust an vollmundigen Wahlversprechen vergangen. Niemand sollte in absehbarer Zeit irgendwelche Wohltaten oder ein außerordentliches Wachstum versprechen, mahnte Präsident Boris Tadic angesichts Europas Schuldenkrise. „Wir haben die Befürchtung, dass die Krise der Eurozone auch Serbien trifft.“

Neben Griechenland drohe seinem Land vor allem vom größten Handelspartner Italien „Gefahr“, so der Parteichef der regierenden Demokraten (DS). „In dem Maße, in dem die Krise Italien trifft, könnten auch wir von ihr getroffen werden.“

Während sich das Epizentrum der Schuldenkrise allmählich von Griechenland nach Italien verlagert, blicken die zwischen den EU-Sorgenkindern gelegenen Nachbarn mit zunehmender Sorge nach Athen und Rom. Bei den Staaten Ex-Jugoslawiens mehrt sich die Sorge vor einem Überschwappen der Euro-Krise.

„Bereitet Euch auf das Schlimmste vor: Die Arbeitslosigkeit wird steigen, die Auslandsschuld wachsen, der Export kollabieren“, fasst die kroatische Tageszeitung „Jutarnji List“ die düsteren Prognosen der sechs größten Banken für das nächste Jahr zusammen. Schon für das laufende Jahr rechnet Kroatiens Notenbankchef Zeljko Rohatinski nur noch mit einem Wachstum von 0,5 Prozent. Eine stärkere Zusammenarbeit von Regierung, Banken und Unternehmen sei nötig, um einen „Ausweg aus der Krise“ zu finden.

Kaum internationale Wirtschaft

Doch gegen die externen Faktoren der Schuldenkrise scheint auch für die vom Export in die EU abhängigen Ex-Bruderstaaten kein Kraut gewachsen zu sein. Die Aufrufe von Serbiens Staatschef Tadic, eben die „alternativen“ Wirtschaftsbeziehungen zu fernen Partnern wie China, Brasilien, Japan oder Russland zu stärken, wirken in Zeiten, in denen selbst chinesische Kleinhändler ihre Geschäfte vom kriselnden Balkan nach Polen oder Südafrika verlagern, eher hilflos. Fest ist der ex-jugoslawische Raum in die Region eingebettet. Von Skopje bis Laibach: Griechenland und Italien sind nicht nur wichtige Handelspartner und Investoren, sondern dank ihrer Banken auch unerlässliche Kreditgeber.

Allein in Serbien haben griechische Banken einen Marktanteil von 15 Prozent. Die italienischen Finanzinstitute Unicredit und Intesa kontrollieren derweil in Serbien rund 25 Prozent, in Bosnien-Herzegowina 30 Prozent und in Kroatien gar 45 Prozent der nationalen Kreditmärkte.

Die Angst vor einem Kapitalabfluss und der Aussetzung von Investitionsvorhaben generiert sorgenvolle Blicke auf sinkende Steuereinnahmen und den Anstieg der Schuldenberge. Vor allem das EU-Mitglied Slowenien, aber auch der EU-Anwärter Kroatien sehen sich mit einem raschen Anwachsen der Staatsschuld konfrontiert.

E2005 hatte die Staatsschuld des gestrauchelten EU-Musterknaben Slowenien noch 27 Prozent betragen, nun dürfte sie bis Jahresende auf 47 Prozent geklettert sein. Wie der Nachbar liegt auch Kroatien mit einer Staatsschuld von 51 Prozent noch deutlich unter der Maastricht-Norm von 60 Prozent. Doch angesichts rabenschwarzer Konjunkturprognosen scheint ein rascher Schuldenanstieg vorprogrammiert. Am vergangenen Freitag überschritten die Renditen für slowenische Staatsanleihen erstmals die Marke von stolzen sieben Prozent. Ein Wert, den laut Experten kein Staat langfristig zahlen kann.

Fehlende politische Führung

Über handlungsfähige Regierungen zur Durchsetzung harter Sparmaßnahmen verfügen die beiden krisengeplagten Nachbarn schon längst nicht mehr: Sowohl Kroatiens konservative Regierungspartei HDZ als auch Sloweniens sozialdemokratische SD fechten bei den Parlamentswahlen Anfang Dezember nicht mehr um Regierungspfründe, sondern um ihr politisches Überleben in der Opposition.

Auf einen Blick

Die Staaten Ex-Jugoslawiens sind wirtschaftlich sehr eng mit den beiden Eurozonennachbarn Italien und Griechenland verbunden. Daher wächst zwischen Laibach und Skopje nun die Angst, dass die dortige Schuldenkrise überschwappen könnte. In Slowenien sind die Auswirkungen der steigenden Staatsverschuldung bereits sichtbar. Am vergangenen Freitag stiegen die Renditen für slowenische Anleihen erstmals über den Wert von sieben Prozent.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.11.2011)

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