Teure "Kälteferien" für die Wirtschaft auf dem Balkan

Teure Kaelteferien fuer Wirtschaft
Teure Kaelteferien fuer Wirtschaft(c) Dapd (Steffi Loos)
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Die schwächelnde Wirtschaft in Südosteuropa bekommt die Auswirkungen der Kältewelle zu spüren: Strom wird rationiert, die vereiste Donau stoppt den Schiffstransport, jede dritte Firma in Serbien läuft auf Sparflamme.

Belgrad. Minus 27 Grad wurden vergangene Woche in der Donau-Metropole Novi Sad gemessen. Doch nicht nur die Temperaturen liegen derzeit im Keller, auch die Landeswährung, der Dinar, hat einen neuen Tiefpunkt erreicht: Denn sie fiel gegenüber dem Euro auf 108,4 Dinar und damit auf den niedrigsten Stand seit Einführung der EU-Gemeinschaftswährung.

Für die seit Längerem anhaltende Schwäche des Dinar machen Analysten nicht nur den Abzug des Großinvestors US-Steel und den ungewissen Ausgang der Verhandlungen mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) über die Freigabe neuer Milliardenkredite verantwortlich. Vor allem Serbiens erhöhte Energieimporte in Folge der anhaltenden Kältewelle setzt die Landeswährung gehörig unter Druck.

Ab heute, Montag, heißt es für die Serben Strom sparen: Die Regierung hat Ämtern, Schulen und Staatsbetrieben eine Woche Kälteferien verordnet – und auch privaten Unternehmen zu dem Schritt geraten. Schon bisher wird der Schaden für die serbische Wirtschaft durch die arktische Kälte wegen der Produktionsreduzierung, des erschwerten Transports und der Stromrationierung von Analysten auf bis zu 500 Millionen Euro geschätzt. „Die Zeche für den sibirischen Winter haben die Produzenten zu zahlen“, titelt düster die Belgrader Tageszeitung „Press“.

Teile von Bosnien ohne Strom

An der Küste der kroatischen Adria-Insel Pag wurden aufgrund der Winterstürme in den letzten Tagen zur Freude der Anwohner hunderte Kilo tiefgefrorener Gratisfisch an die Gestade gespült. Ansonsten können sich im Südosten des Kontinents nur die Landwirte über die schützenden Schneemassen für ihre Wintersaat freuen. Eis und Schnee verlängern und verteuern den Transport. Vor der bulgarischen Stadt Silistra ist die Donau komplett zugefroren, an Schiffsverkehr ist nicht zu denken.

Angesichts des hohen Stromverbrauchs sind auch in anderen Ländern Ex-Jugoslawiens Stromrationierungen für Unternehmen angekündigt. Trotz Rekordabsatzes kommt bei den Energieproduzenten kaum Freude auf. Denn den durch den verstärkten Einsatz von Elektroheizungen gestiegenen Bedarf haben die Energieversorger mit reduzierten Kapazitäten zu decken. Hatte in den letzten Monaten der trockene Herbst den Pegel in den Stauseen der Wasserkraftwerke gefährlich gesenkt, gefährden nun zugefrorene Flüsse und vereiste Schienen den nötigen Nachschub für Kohlekraftwerke. Im von der Wasserkraft stark abhängigen Bosnien-Herzegowina sind ganze Landstriche wegen beschädigter Überlandleitungen seit Tagen ohne Strom und Telefon.

Fast jeder dritte Betrieb habe seine Produktion wegen der niedrigen Temperaturen gedrosselt oder zeitweilig eingestellt, berichtet Serbiens Arbeitgeberverband. Das produzierende Gewerbe hat mit einem erwarteten Umsatzrückgang von fünf bis sieben Prozent indes noch weniger unter der Kältewelle zu leiden als die Dienstleister. So klagen etwa die Spediteure über starke Kostenerhöhungen und kräftige Umsatzrückgänge wegen des schlechten Wetters. Zu den größten Verlierern des strengen Winters zählen neben der praktisch lahmgelegten Bauwirtschaft auch die Bäcker: Vor allem zeitweise Schul- und Firmenschließungen drücken den Absatz.

Die Eiseskälte bremst den Konsum – und lähmt den Handel. Die Händler bleiben auf den leer gefegten Märkten daher ohne Einkünfte. Den geringeren Umsatz der Wirtschaft bekommt aber auch der Staat in Form sinkender Steuereinnahmen zu spüren. Dies dürfte im Wahlkampfjahr eine beliebte Ausrede für die Politik werden. Am Ende wird der Schnee an allem schuld sein, orakelt der Belgrader Analyst Sasa Milojevic – auch für eine sinkende Wirtschaftsleistung.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.02.2012)

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