Weltbank mahnt China: Rascher Kurswechsel sei nötig

(c) REUTERS (STRINGER SHANGHAI)
  • Drucken

Das Regime dürfe die Banken nicht länger zur Vergabe viel zu günstiger Kredite zwingen. Günstige Kredite führten zu einem wahren Boom am Immobilienmarkt. Eine gewaltigen „Blase“ habe sich längst gebildet.

Wien/stef. China habe durchaus Potenzial, sich „bis 2030 zu einer modernen, harmonischen und kreativen Gesellschaft“ zu entwickeln, konstatiert die Weltbank in ihrem aktuellen Bericht „China 2030“. Außerdem sei es „wahrscheinlich“, dass die Volksrepublik bis dahin die USA als weltgrößte Volkswirtschaft ablösen wird.

Was auf den ersten Blick ermutigend klingen mag, ist ein ernüchternder Blick, den die internationale Organisation auf die asiatische Großmacht wirft. So impliziert die Weltbank, dass China noch weit von den genannten Erwartungen entfernt sei. Das Problem: „China muss seine Wirtschaftspolitik und den gesamten institutionellen Rahmen ändern“, schlägt die Weltbank Alarm und fordert die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt zu einem raschen Kurswechsel auf.

Teuer erkauftes Wachstum

Konkret empfehlen die Analysten der Weltbank dem chinesischen Regime, die Banken des Landes künftig wie kommerzielle Unternehmen zu führen. Denn um den vor Jahren eingeschlagenen Wachstumspfad weiterzugehen, zwingt die politische Elite die Institute derzeit, Kredite zu völlig marktunüblichen Konditionen zu vergeben. Anstatt angemessene Zinsen zu verlangen, müssen Banken an staatsnahe Betriebe oftmals niedrigst oder gar nicht verzinste Darlehen ausgeben.

Damit soll eine Verlangsamung des Wirtschaftswachstums von jährlich zwischen acht und zehn Prozent verhindert werden. Günstige Kredite führten zu einem wahren Boom am Immobilienmarkt. Viele Beobachter sprechen längst von einer gewaltigen „Blase“, die sich in China gebildet hat. Um ein Platzen zu vermeiden, will die Regierung die Branche weiterhin günstig mit Geld versorgen.

Das wirft viele Probleme auf, wie die Weltbank in ihrem 450 Seiten dicken Bericht festhält. So bestehe die große Gefahr, dass ein Platzen der „Blase“ keineswegs verhindert, sondern lediglich verzögert werde. Bereits jetzt stehen ganze Städte leer, die in der Hoffnung auf einen lang andauernden Wirtschaftsboom gebaut wurden – eine Situation, die sich in den kommenden Jahren verschärfen dürfte. Bleiben die Mieteinnahmen aus, droht zahlreichen Immobilienentwicklern die Pleite. Zinsfreie Kredite können diese Entwicklung verzögern. Sie verhindern sie aber nicht, wie die Weltbank anmerkt.
Die drohende Krise am chinesischen Häusermarkt werde wiederum dem Bankensektor schwer zusetzen, weil sich viele Darlehen als uneinbringlich erwiesen. „Die Verletzlichkeit des Finanzsektors wird konstant größer“, warnte bereits im November des Vorjahres der Internationale Währungsfonds (IWF). So sei die Kreditvergabe 2010 und 2011 jeweils um ein Drittel angestiegen. Das führte laut IWF zu einem „äußerst hohen Level der Immobilienpreise“.

Sowohl Weltbank wie auch IWF kommen zu dem Schluss, dass China das Wirtschaftswachstum der vergangenen Jahre künftig wohl kaum wird halten können. 2010 legte die Konjunktur noch um 10,4 Prozent zu, im Vorjahr um weniger als zehn Prozent, für heuer erwarten Ökonomen einen Wert in der Gegend von neun Prozent.

Sorge um soziale Balance

Eine realistische mittelfristige Wachstumsprognose könnte bei fünf bis sieben Prozent pro Jahr liegen, meinen IWF und Weltbank. Selbst diese Werte seien nur erreichbar, wenn „das Bankensystem kommerzialisiert“ werde. Noch sei es dafür nicht zu spät. Würde das Regime die Zinssätze vom Markt bestimmen lassen, verlangsamte das die Kreditvergabe. Ein „soft landing“, also ein kontrollierter Rückgang des Immobilienmarktes, wäre die erhoffte Folge.

Allerdings: Je länger die Umstrukturierungen auf die lange Bank geschoben werden, umso größer sei die Gefahr eines unkontrollierten Kollapses der Konjunktur. Zumindest fünf Prozent Wachstum braucht China laut Experten, um Arbeitsplätze für die wachsende Bevölkerung zu schaffen. Bremst sich die Konjunktur auf einen Wert darunter ein, schadet das nicht nur Banken und Immobilienfirmen. Es steht vielmehr die soziale Balance auf dem Spiel.

Auf einen Blick

„China 2030“ nennt sich eine aktuelle Studie der Weltbank zur Lage Chinas. Demnach könne die Volksrepublik nur eine „moderne und harmonische Gesellschaft“ werden, wenn sie ihre Wirtschaftspolitik fundamental ändere. Ein wichtiger Punkt: Banken dürften nicht länger gezwungen werden, Kredite zu marktunüblichen Konditionen zu vergeben. Das trage zur Bildung einer „Blase“ bei, die im schlimmsten Fall das soziale Gefüge gefährden könnte.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.