China: Konsum statt Kommunismus

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Symbolbild(c) AP (Ng Han Guan)
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Die Krise in Europa schlägt auch auf die „Werkbank der Welt“ durch. Die chinesische Regierung senkt daher ihr jährliches Wachstumsziel und fordert die Bürger des Landes auf, mehr Waren selbst zu konsumieren.

Wien/ag./jaz. Das „Geschäftsmodell“ Chinas war in den vergangenen 20 Jahren äußerst erfolgreich. Mittels günstiger Lohnkosten – die auch von einer künstlich weich gehaltenen Währung unterstützt wurden – zog das Land Industrieproduktion aus den USA und Europa ab und wurde zur „Werkbank der Welt“.

Die westlichen Industrienationen hatten dadurch zwar den Zwang, die verlorenen Jobs durch Arbeitsplätze im Hochtechnologie- und Dienstleistungssektor zu ersetzen, erhielten im Gegenzug jedoch viele Produkte zu günstigeren Preisen, weshalb der Lebensstandard stieg.
Gleichzeitig schafften 600 Millionen Chinesen durch die neu gewonnenen Arbeitsplätze in der Industrie den Aufstieg aus der Armut, wie eine Studie der Weltbank einst zeigte. Alle waren also mehr oder weniger glücklich.

Eurokrise schwächt Exporte

Seit der Krise von 2008/09 gerät das chinesische Modell jedoch zusehends ins Wanken. So kämpft das Land, und vor allem die regionalen Provinzregierungen, wie der Rest der Welt mit steigenden Schulden. Zusätzlich trifft die Eurokrise die chinesische Wirtschaft schwer.
Denn die EU ist für China der wichtigste Exportmarkt. Und das Wachstum im chinesischen Außenhandel werde sich heuer auf zehn Prozent halbieren, sagte Ministerpräsident Wen Jiabao am Montag zum Auftakt des Volkskongresses. Deswegen kürzt die chinesische Regierung auch das jährliche Wachstumsziel vom im Jahr 2005 festgelegten Wert von acht Prozent auf 7,5 Prozent. Im Jahr 2011 lag das chinesische Wirtschaftswachstum mit 9,2 Prozent zwar deutlich über der Acht-Prozent-Marke, weshalb auch das neue Ziel in der Realität übertroffen werden könnte. Dennoch gilt die Rücknahme der Wachstumserwartung als warnendes Signal der chinesischen Führung.

Zudem zeigte sich Wen Jiabao bei seiner Ansprache vor den 3000 Delegierten der kommunistischen Partei ungewohnt selbstkritisch. China stehe vor „großen Schwierigkeiten und Herausforderungen“. Eine Umstrukturierung der Wirtschaft werde „immer dringender, aber auch immer schwieriger“. Denn die bisherige Entwicklung mit rasantem zweistelligen Wachstum sei „unausgewogen und nicht aufrechtzuerhalten“, erklärte er.

Teil dieser Umstrukturierung der Wirtschaft sei auch der Aufbau eines stärkeren Binnenmarktes: Die Chinesen sollen also beispielsweise Handys nicht mehr nur herstellen, sondern auch kaufen. Denn nur durch einen stärkeren heimischen Konsum sei ein stabiles Wachstum langfristig sichergestellt. Nur so werde das Land unabhängiger von der Entwicklung auf den Exportmärkten USA und Europa.

Ein anderes großes Problem Chinas ist der überhitzte Immobilienmarkt – laut vielen Experten hat sich bereits eine gefährliche Blase gebildet. Sollte dieser Blase die Luft nicht langsam ausgehen, sondern sie mit einem lauten Knall platzen, könnte dies die Weltwirtschaft neuerlich in eine Krise stoßen. Diese Gefahr wird auch von Chinas Regierung gesehen. Die Kontrolle des Immobilienmarktes sei zur Zeit in einer „entscheidenden Phase“, sagte Wen Jiabao.

Höhere Einkommen für Bürger

Zu guter Letzt will Chinas Regierung die steigende soziale Kluft in der Bevölkerung verringern. Denn nur in wenigen Ländern ist der Unterschied zwischen der ärmsten und der reichsten Bevölkerungsschicht so groß wie im offiziell kommunistischen China. So sollen die Einkommen der „einfachen Bürger“ stärker vom Wirtschaftswachstum des Landes profitieren, versprach der Ministerpräsident.
Dass China sich ein neues „Geschäftsmodell“ überlegen muss, zeigen auch die Erwartungen internationaler Anleger. So glauben 95 Prozent der von der Nachrichtenagentur Bloomberg befragten Investoren, dass 2016 das chinesische Wachstum unter fünf Prozent liegen wird.

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