Die Privatisierung von Staatsbetrieben: Zwischen Protesten und Korruptionsvorwürfen
"Die Presse" blickt auf die turbulente Geschichte von Privatisierungen heimischer Staatsbetriebe seit 1995 zurück.
10.11.2017 um 17:09
2015 wurde die Reform der ÖIAG zur ÖBIB beschlossen. Die ÖIAG wurde von einer AG zu einer GmbH umgewandelt. Mit dem Beschluss holt sich der Gesetzgeber wieder mehr Handlungsspielraum zurück. Denn die ÖBIB hat im Gegensatz zur ÖIAG keinen sich selbst erneuernden Aufsichtsrat mehr. Geleitet wird sie von einem weisungsgebundenen Geschäftsführer. Über die Beschickung in die Aufsichtsräte der ÖBIB-Unternehmen wie Post, Telekom und OMV entscheidet ein sogenanntes Nominierungskomitee.
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Die Österreichische Industrieholding AG (ÖIAG) verwaltete die Beteiligungen der Republik Österreich an verstaatlichten und teilverstaatlichten Unternehmen. Als Geburtsstunde der ÖIAG-Vorgängerin ÖIG gilt das Jahr 1967, auch wenn es verstaatlichte Industrie bereits 1946 gab.Kommt es im Österreich zu Privatisierungen von staatlichen Betrieben zieht dies oft eine Welle an Protesten des Volkes mit sich. Eine große Welle an Privatisierungen begann mit der schwarz-blauen Regierung im Jahr 2000.
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Mit dem Gang an die Börse im Jahr 1995 wurde die Privatisierung der VA Stahl eingeleitet. Zu diesem Zeitpunkt stand die Firma noch zu 100 Prozent im Staatseigentum, verwaltet von der ÖIAG. 31,7 Prozent der VA Stahl wurden über die Börse verkauft. Dem Staat brachte der Verkauf 172,7 Mio. Euro. Die ÖIAG hält fortan nur noch 38,8 Prozent.
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Im Zuge der Privatisierung des Wiener Auktionshauses Dorotheum, bekam auch die damals noch unerfahrene Korruptionsstaatsanwaltschaft etwas zu tun.Den Zuschlag erhielt damals das Konsortium „Onetwosold“ rund um Christoph Dichand, den Herausgeber der "Kronen Zeitung". Die Parallelen zur Causa Buwog waren frappierend. Einerseits fanden beide Verkäufe in der Ära von Finanzminister Grasser statt, andererseits bot bei beiden Transaktionen Grasser-Spezi Walter Meischberger seine Dienste als "Berater" an. Und nicht zuletzt: Sowohl bei der Buwog als auch beim Dorotheum hat der siegreiche Bieter minimal mehr geboten als der Unterlegene.
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Der Verkauf der restlichen 41 staatlichen Prozent der Austria Tabak GmbH (AT) an die britische Gallaher-Group spülte 769 Mio. Euro in die Staatskasse. Der damalige Vorstand Peppo Mauhart wurde politisch zum Rücktritt gezwungen, weil er mit der Austria Tabak damals erstmals rote Zahlen geschrieben hatte. Mauhart wollte mit der AT den Sportartikelkonzern HTM sanieren. Dieses Projekt scheiterte aber.Auch beim nachfolgenden Verkauf der AT sehen Kritiker Parallelen zum Buwog-Skandal. Dem Aufsichtsrat wurden Falschinformationen vorgeworfen und wesentliche Vertragsunterlagen waren bei der ÖIAG nicht mehr auffindbar.
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Die Postbus AG wurde um 119,2 Mio. Euro an die ÖBB abgetreten. Angestellte der ÖBB und der Postbus AG schlossen sich zusammen und protestierten gemeinsam gegen die Privatisierung.
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Die VA Stahl, die mittlerweile in VoestAlpine umbennant worden war, zu privatisieren, war vor allem bei den Mitarbeitern eine unpopuläre Entscheidung. In Linz kam es zu Protesten mit bis zu 15.000 Teilnehmern. Der schrittweise Verkauf des Konzerns verschaffte der Staatskasse nach 1995 weitere 491,7 Mio Euro.
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Im Jahr 2003 galt die VA Tech, mit einem Jahresumsatz von knapp vier Milliarden Euro, als größter Technologiekonzern Österreichs. Standorte waren in Linz, Weiz und Wien. Die vollständige Abgabe der VA Tech an Siemens brachte Österreich 146,3 Mio. Euro ein. An den Betriebsstandorten wurde heftig gegen die Privatisierung demonstriert.
Nachdem 49 Prozent der Post AG über die Börse verkauft worden waren, trugen Mitarbeiter und Demonstranten den Betrieb sprichwörtlich "zu Grabe". Die ÖIAG musste sich verteidigen, die Aktien nicht zu billig ausgegeben zu haben. Der damalige ÖIAG-Chef Peter Michaelis beteuerte, dass Zeitraum und Preis optimal gewesen seien. Die damals oppositionelle SPÖ forderte Schadenersatz für die ÖIAG von den Beraterbanken.
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Die Austrian Airlines (AUA) wurde zur Lufthansa-Tochter. Die ÖIAG wurde kritisiert, da die Republik Österreich eine halbe Milliarde Euro Staatsbeihilfe für die Übernahme zahlte. 2007 hatte die Staatsholding, nachdem die Bawag ausgestiegen war, noch auf 42,75 Prozent der Anteile aufgestockt.
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Die ÖIAG machte auf sich aufmerksam, indem sie für die Telekom Austria ein Syndikat mit dem mexikanischen Telekomriesen America Movil einging. Die Mexikaner und die Staatsholding sollten mit einer Stimme sprechen, heißt es von offizieller Seite. Alleinige Kontrolle und 50,8 Prozent Anteile an der Telekom Austria hat aber das Unternehmen rund um Milliardär Carlos Slim. Aktuell hält die ÖIAG noch 28,42 Prozent an der Telekom.
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