Wie hält es denn Ihr Arzt mit der Transparenz?

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Viele österreichische Ärzte wollen nicht offenlegen, welche Honorare sie von Pharmaunternehmen erhalten haben. Fragt sich bloß, warum.

Hat Ihr Arzt Zahlungen von der Pharmaindustrie erhalten?“ Mit dieser Frage, die einen süffisanten Unterton nicht vermissen lässt, wandten sich gestern verschiedene österreichische Medien an ihre Leser und weckten damit große Neugier. Welcher Patient will nicht wissen, ob der Arzt seines Vertrauens womöglich auch zu jenen gehört, die von der Pharmaindustrie Geld erhalten?

Zur Erinnerung: Frei nach dem Motto „Transparenz schafft Vertrauen“ entschlossen sich die österreichischen Pharmaunternehmen schon im Frühjahr, alle Leistungen, die sie an Spitäler und Ärzte geleistet hatten, auf der Homepage auszuweisen. Patienten, die herausfinden wollten, welches Nahverhältnis ihr Arzt zur Pharmaindustrie hat, konnten sich auf diversen Internetseiten der österreichischen Pharmafirmen schlaumachen.

Nun geht das viel einfacher. Mittlerweile sind die vorhandenen Informationen in einer zentralen Datenbank erfasst. Es reicht, den Namen des Arztes in die Maske (https://correctiv.org) einzugeben, und schon werden die Summen ausgespuckt, die jedes einzelne Unternehmen an diesen Mediziner berappt hat. Das heißt, vielleicht.

In den meisten Fällen wird das System nämlich gar keine Daten ausweisen. Das ist nicht unbedingt ein Grund, sich die Hände zu reiben oder gar darüber zu freuen, dass der eigene Arzt eben nichts mit der Pharmaindustrie zu tun hat. Denn keine Nennung heißt nicht unbedingt, dass er zu den "Guten" gehört, also keinen Cent von der Pharmaindustrie erhalten hat. Und genauso wenig bedeutet es, dass Ihr Arzt zu den großen Abzockern gehört, wenn er in der Datenbank vorkommt. Sie hat nämlich einen gewaltigen Haken, der zu wenig Beachtung findet: Sie ist nicht vollständig. Die Datenbank weist bei Weitem nicht alle Ärzte aus, die von der Pharmaindustrie 2015 Honorare bekommen haben. Nur jene, die Transparenz wirklich großschreiben, nichts verbergen wollen und deshalb der Veröffentlichung ihrer Daten zugestimmt haben, sind erfasst. Doch das ist die Minderheit. Die Mehrheit verbot allen Pharmaunternehmen, Details zu ihrem Namen zu publizieren. Oder aber sie gaben nur einzelnen von ihnen ihre Erlaubnis, anderen aber nicht. Auch das verzerrt das Bild gewaltig.

Fragt sich nur, für wen es unangenehm werden könnte, wenn bekannt wird, welche Geldmengen für Vorträge, Workshops, Weiterbildungen und andere Leistungen geflossen sind. Die Vermutung liegt nahe, dass sich darunter auch oder gerade jene Ärzte befinden, die mit der Pharmaindustrie besonders gute Geschäfte gemacht haben und immer noch machen. Niemand wird bereit sein, sich selbst an den Pranger zu stellen, wenn es nicht unbedingt sein muss.

Wer also den Namen des Gesuchten tatsächlich in der dürftig gefüllten Datenbank gefunden hat, weiß damit nicht nur, dass dieser Arzt Honorare von Pharmaunternehmen erhalten hat, sondern auch, dass er – im Unterschied zu vielen anderen seiner Kollegen – die Courage gehabt hat, sie offenzulegen. In Österreich liegt die Offenlegungsrate übrigens deutlich unter jener in Deutschland. Bleibt zu hoffen, dass sich das sehr rasch ändert. Aus Halbwahrheiten Schlüsse zu ziehen ist immer gefährlich.

E-Mails an: judith.hecht@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.12.2016)

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