Früher frei am Freitag: Japan lernt von Österreich

(c) EPA
  • Drucken

Japans Regierung ermuntert dazu, an jedem vierten Freitag weniger zu arbeiten. Das wäre bei uns nicht nötig.

Das Problem ist erkannt: Die Japaner arbeiten zu viel. Genauer: Sie sitzen im Büro zu viele (Über-)Stunden ab. Nie gehen sie vor ihrem Chef nach Hause. Nur die Hälfte ihres Urlaubs verbrauchen sie im Schnitt. Was der Wirtschaft nicht guttut: Wenn ständig üppig Personal zur Hand ist, fehlt der Druck, effizienter zu arbeiten. Unter den großen Industrienationen hat Japan die geringste Produktivität. Schlimmer noch: Wer ewig am Schreibtisch hockt, dem fehlt die Zeit zum Geldausgeben und Liebemachen. Die Folge: ein chronisch schwacher privater Konsum und die niedrigste Geburtenrate der westlichen Welt. Aber jetzt hat die Regierung unter Premier Shinzō Abe die Lösung parat. Als Teil des Wirtschaftsprogramms Abenomics ermuntert sie die Arbeitnehmer, am letzten Freitag jedes Monats schon um 15 Uhr Feierabend zu machen. Premium Friday heißt die Kampagne, ein Smiley dient als Logo, ein mächtiger Wirtschaftsverband steht voll dahinter. Ladenbesitzer, Wirte und Reiseveranstalter reiben sich die Hände. Ökonomen rechnen euphorisch vor: Wenn sich alle Berechtigten daran halten, ist an jedem Premium-Freitag umgerechnet eine Milliarde Euro an zusätzlichen Konsumausgaben drin. Umfragen ergeben: Ein knappes Drittel will am ersten Termin zu einer Kurzreise ausschwärmen – getreu dem Motto der Aktion: „Wir lassen es uns gut gehen“.

Wenn das nur gut geht. Es ist nämlich zu befürchten, dass die emsigen „Salarymen“ dafür an anderen Tagen umso länger arbeiten, was den Effekt verpuffen ließe. Man befürchtet auch Preisschlachten im Handel, der sich um die zusätzliche Kundschaft rauft. Völlig offen ist, wie viele Firmen mitmachen. Nicht einmal das Wirtschaftsministerium geht geschlossen voran. Immerhin hat der Minister Sitzungen nach 15 Uhr untersagt.

Aus heimischer Sicht lässt sich sagen: Japaner, entspannt euch – und lernt von uns. Die Österreicher haben lange Erfahrung darin, am Freitag möglichst schon zur Mittagszeit ihren Bleistift fallen zu lassen. Wer in einem alpenrepublikanischen Industrieunternehmen am frühen Freitagnachmittag noch jemanden ans Telefon kriegt, sollte eine Messe lesen lassen. Die fehlenden Arbeitsstunden holen wir gern in aller Herrgottsfrüh herein, wenn wir sicher sein können, dass kein lästiger Kunde unsere Büroruhe stört. Nur ein Name fehlt noch für dieses geniale System. Unser Vorschlag: Ösinomics.

karl.gaulhofer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.01.2017)


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.