Venezuelas neue, große Geldscheine

Der neue Schein trügt. Die größte neue Banknote Venezuelas, der 20.000 Bolívares-Schein, ist nur knapp 5,50 US-Dollar wert. Wie lang noch?
Der neue Schein trügt. Die größte neue Banknote Venezuelas, der 20.000 Bolívares-Schein, ist nur knapp 5,50 US-Dollar wert. Wie lang noch?(c) APA/AFP/JUAN BARRETO
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In keinem Land ist die Inflation so hoch wie im krisengeschüttelten Venezuela. Im Vorjahr verlor die Landeswährung Bolívares 720 Prozent an Wert. Nun gibt es neue Banknoten.

Caracas. Endlich sind sie da, die neuen Geldscheine, auf die Venezuelas Bürger seit Langem warten mussten. Während des ganzen Vorjahres haben sie dicke Geldbündel auf ihren täglichen Einkaufsmarathon mitnehmen müssen, weil sich die Regierung standhaft geweigert hatte, auf die höchste Inflationsrate der Welt zu reagieren und Billetts mit höherer Wertigkeit zu drucken.

Weil der größte Schein, die 100-Bolivares-Note, nur noch ein paar US-Cent wert war, dauerte die Geldzählerei an den Kassen unendlich lang. Die Banken kamen mit dem Befüllen der Geldautomaten nicht nach, schließlich limitierte die Regierung die Barabhebungen, mit dem Effekt, dass ständig Geld fehlte. Im November kündigte Präsident Nicolás Maduro die Einführung der neuen Scheine an, die 500, 1000, 2000, 5000, 10000 und 20000 Bolívares wert sind. Und kurz darauf verfügte er, dass die Bürger alle ihre 100er-Noten binnen 72 Stunden einzutauschen hätten.

Mit dieser Maßnahme, die laut Maduro gegen systemfeindliche Spekulanten gerichtet war, dirigierte die Staatsführung ihr Land im Dezember auf den totalen Kollaps zu. Denn viele Bürger, die nach tagelangem Schlangestehen endlich ihre Scheine am Bankschalter vorlegten, bekamen dort dieselben Billetts zurück. Die neuen gab es nämlich nur im Staatsfernsehen.

Weil durch dieses Hin und Her in vielen Städten des Landesinneren das Geld gänzlich ausging, begannen Plünderungen. Danach ruderte Maduro zurück und weitete die Umtauschfrist aus, das Chaos bei der Verteilung der neuen Noten erklärte er, wie die meisten Missgeschicke seiner Administration, mit einer angeblichen internationalen Verschwörung. Die Opposition vermutet, dass die in Schweden fabrizierten Scheine verspätet eintrafen, weil die Regierung die Druckkosten nicht bezahlen konnte.

Viele Marktbeobachter wähnen hinter der gigantischen Rückrufaktion im Dezember den Plan der Regierung, den Bargeldumlauf einzuschränken. Tatsächlich ist „efectivo“ in dem Tropenland, dessen Wirtschaft zur Hälfte in der Informalität operiert, für viele Bürger das einzige Zahlungsmittel, besonders im Landesinneren. Dieser Erklärungsversuch erscheint schlüssig, weil die Regierung mehrere Versuche unternahm, den Bargeldgebrauch zu limitieren, so senkte sie etwa die Mehrwertsteuer bei Kartenzahlungen.

Inflation liegt bei 720 Prozent

Allerdings blieben diese Anstrengungen ohne Konsequenzen, weil der Puls der venezolanischen Wirtschaft nicht in der Zentralbank pocht, sondern im Internet. Auf mehreren Seiten können die Bürger den Kurs des „dólar paralelo“ nachschlagen, der die Preise bestimmt, mit denen Händler und Dienstleister kalkulieren. Der Simadi, der kontrolliert floatende Wechselkurs der Zentralbank, berechnet für einen Dollar 677 Bolívares. Aber auf Seiten wie www.dolartoday.com ist die US-Währung 3600 Bolívares wert. Das bedeutet, dass die größte der nun neu ausgegebenen Banknoten einen realen Gegenwert von 5,50 Dollar hat. Der 500er-Schein entspricht etwa 14 US-Cent. Die Herstellungskosten der neuen Münzen von 50 und 100 Bolívares dürften höher sein als deren Nennwert.

Laut Internationalem Währungsfonds lag die Inflation im Vorjahr bei 720 Prozent, in keinem anderen Land ist sie so hoch. Präsident Nicolás Maduro sieht dennoch keine Veranlassung, die seit 2003 praktizierten Devisenkontrollen abzuschaffen. Dieses System, eingeführt nach dem wochenlangen Streik bei der staatlichen Ölgesellschaft PdVSA, gab der Regierung die Möglichkeit, die Geldflüsse zu kontrollieren und Devisen nach politischen – oder anderen – Kriterien zuzuteilen. Die erheblichen Differenzen zwischen offiziellem und Parallelkurs nutzten Begünstigte der Regierung zu einer gigantischen Akkumulation von Reichtum. Félipe Gónzalez, Spaniens ehemaliger Premier, schätzt, dass seit Beginn der bolivarischen Revolution 800 Milliarden Dollar durch Korruption aus Venezuela abgeflossen sind.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.01.2017)

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