Scheinfirmen kosten den Staat eine Milliarde pro Jahr

Scheinfirmen kosten Staat eine
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Alle bisherigen Versuche des Gesetzgebers, den Sozialmissbrauch in der Baubranche und der Gastronomie einzudämmen, haben nicht gefruchtet. Helfen gegen die "Pfuscher-Mafia" könnte eine automatische Früherkennung.

Sechs Monate. Länger brauchen die Gründer von Scheinfirmen nicht, um das Unternehmen komplett auszuschlachten und den Staat dabei um Millionen Euro zu betrügen. Binnen weniger Wochen werden oft hunderte Mitarbeiter angemeldet, die Firma bewusst in den Konkurs getrieben. Das Ziel dahinter ist Sozialbetrug, denn Steuern oder Sozialabgaben bezahlt der Unternehmer nie. Bis zu einer Milliarde Euro Schaden richtet diese Form des organisierten Betrugs jedes Jahr in Österreich an, sagte Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) am Dienstag vor Journalisten in Wien.

Aber damit nicht genug: In manchen Fällen gibt der Steuerzahler den Betrügern sogar noch etwas drauf. Sind die Mitarbeiter nämlich nur wenige Monate im Jahr beschäftigt, erhalten sie durch den Lohnsteuerausgleich Geld vom Staat zurück, das sie nie abgeführt haben. Vor allem in der heimischen Baubranche ist das Problem altbekannt. Lösen konnten es die Gesetzgeber trotz mehrfacher Anläufe bis dato nicht. Auch die seit April verfügbare Baustellendatenbank ist nur ein erster Schritt. Sie soll helfen, neue Baustellen und deren Arbeiter leichter zu kontrollieren.

„Pfuscher-Mafia“ in Österreich

Eine aktuelle Studie zeigt aber: Die schwarzen Schafe sind nicht mehr nur in der Bauwirtschaft daheim. Auch in der Gastronomie, dem Transportwesen und in der Landwirtschaft werde oft am Fiskus und den Sozialversicherungen vorbeigearbeitet, berichtet die Studienautorin und Strafrechtsuniversitätsprofessorin Susanne Reindl-Krauskopf. Auch seriöse Firmen würden mit Schein- und Deckungsrechnungen arbeiten, um an Schwarzgeld für Schwarzarbeiter zu kommen.

Das größte Problem in der Betrugsbekämpfung sieht Reindl-Krauskopf darin, dass die Behörden meist einen Schritt zurückliegen. Wenn die Polizei von dubiosen Firmen erfährt, ist der Konkursantrag meist schon da, der Großteil des Schadens bereits angerichtet. Helfen könnte eine bessere Vernetzung aller betroffenen Stellen und eine Software, die automatisch nach Verdachtsmomenten sucht.

Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) hat es vor allem auf die großen Fische abgesehen. Zehn Tätergruppen seien derzeit in Österreich aktiv. Der „Pate“ im Mittelpunkt der „Pfuscher-Mafia“ trete nach außen meist als honoriger Geschäftsmann auf, verfüge im Hintergrund aber über eine ganze Reihe an Scheinfirmen. Dabei geht es nicht nur um Schwarzarbeit: Um wenige hundert Euro seien in Wien falsche Arbeitsbestätigungen für einen Kredit, Anmeldungen bei der Sozialversicherung für den nächsten Krankenhausbesuch oder für etwas mehr Geld auch die komplette Firmenhülle inklusive Schein-Geschäftsführer zu haben.

Nicht nur Geschäftsführer strafen

Doch selbst wenn die Behörden den Betrug aufdecken, ist es zu einer Verurteilung noch ein weiter Weg. Denn bisher zielt das Strafrecht vor allem auf den Dienstgeber im sozialversicherungsrechtlichen Sinn ab. Dieser ist in derlei undurchsichtigen Konstruktionen aber in den seltensten Fällen zu finden.

Darum müsste nicht nur die Zusammenarbeit der Ministerien verstärkt werden, fordert die Studienautorin. Auch Gesetzeslücken müssten geschlossen und der Kreis jener, die bestraft werden können, erweitert werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.06.2012)

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