OECD: Migranten strömen wieder ins Land

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Die Zahl der Einwanderer nach Österreich und Deutschland steigt stark an, so die OECD. Meist kommen sie aus der EU. Und sie finden Arbeit, anders als in Südeuropa.

Berlin. Zum einen gibt es einen Trend. Zum anderen gibt es Österreich, Deutschland und die Schweiz. Während in den meisten Industriestaaten die Zahl der Einwanderer im Jahr 2010 zum dritten Mal in Folge zurückging, strömten sie nach Deutschland. Der Boom verstärkte sich 2011 und griff auf Österreich über: Nach vorläufigen Zahlen siedelten sich um 15 Prozent mehr Ausländer in Österreich an als im Jahr zuvor. OECD-weit gab es nur einen leichten Anstieg. Das gab der Klub der großen Industrienationen bei der Präsentation des „Migrationsausblicks 2012“ bekannt.

Dass sich die Mitgliedsländer bei Thema Migration so stark auseinanderbewegen, hat zwei Gründe: die Eurokrise und die Ostöffnung des Arbeitsmarktes. In den meisten EU-Staaten (und der Schweiz) ist die Hauptquelle der Zuwanderung die „Personenfreizügigkeit“: Die Bürger des Binnenmarktes siedeln sich an, wo sie wollen, ohne politische Steuerung. Damit bilden die Ströme vor allem Angebot und Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt ab. In den Krisenländern Südeuropas gingen die Zahlen der jährlichen Zuwanderer in den letzten Jahren massiv zurück. Wo es der Wirtschaft gut geht, steigen sie rasch und deutlich. Die Dynamik ist dadurch insgesamt viel stärker als in traditionellen Einwanderungsländern wie den USA oder Australien.

Zudem haben Österreich und Deutschland erst im Vorjahr ihre Arbeitsmärkte für jene acht Länder voll geöffnet, die 2004 der EU beigetreten sind. Schon davor hat die erleichterte Migration aus Osteuropa das Bild geändert: Unter den neu Zugewanderten gibt es immer mehr Rumänen, Ungarn und Bulgaren. Dafür nimmt die Bedeutung anderer klassischer Herkunftsländer ab: im Fall Serbiens leicht, im Fall der Türkei deutlich. Die größte Gruppe bleiben freilich die Deutschen. Und das sogar mit steigender Bedeutung, was auch mit der Studentenschwemme zu tun hat.

Der wachsende Zustrom macht Österreich aber noch nicht zu einem typischen Einwanderungsland. Bei der Pro-Kopf-Migration liegt es auf OECD-Durchschnitt, Deutschland liegt noch deutlich darunter, die Schweiz hingegen klar an erster Stelle.

Die meisten kommen, um eine Arbeit zu suchen – und finden sie auch. Die Beschäftigungsquote aller im Land lebenden Migranten hat sich in den letzten vier Jahren in Österreich um zwei, in Deutschland sogar um vier Prozentpunkte verbessert. Aber auch diese erfreuliche Entwicklung liegt gegen den Trend. In den Olivenländern sieht es düster aus, am schlimmsten in Spanien.

In den Boomjahren waren Millionen Migranten ins Land geströmt, selbst heute noch sind die absoluten Zahlen höher als etwa in Deutschland. Dabei sind die Einwanderer in der Krise die Ersten, die ihren Job verlieren – auch deshalb, weil sie vor allem in stark betroffenen Branchen wie dem Baugewerbe arbeiten. Nun sitzen Millionen in der Falle – auch in Italien, Griechenland und Portugal. Ihnen wieder eine Perspektive zu geben sieht Co-Autor Thomas Liebig als wichtigste politische Herausforderung der Migrationspolitik in der OECD.

Spanier und Griechen als neue Migranten

Noch eine Folge der Eurokrise: Immer mehr Südeuropäer ergreifen die Flucht. Die Zahlen verdoppeln sich Jahr für Jahr – wenn auch auf niedriger Basis: Immer noch kommen jährlich mehr Polen nach Deutschland als Spanier, Italiener und Griechen zusammen. Die große Hürde ist die Sprache. Während es für die ebenfalls krisengebeutelten Iren ein linguistisch Leichtes ist, sich einen Job in Großbritannien oder den USA zu suchen, scheitern die meisten Südeuropäer an dem ihnen so völlig fremden Deutsch.

In Osteuropa hingegen wird diese Sprache auch an den Schulen stärker gelehrt. „Und Polen oder Rumänen können in Deutschland schon bestehende Netzwerke nutzen“, erklärt Experte Liebig der „Presse“. Sie haben bereits Angehörige oder Freunde hier, die ihnen helfen, einen Job zu bekommen. Diese „Infrastruktur“ fehlt noch bei der neuen europäischen Süd-Nord-Migration. Aber das Potenzial für eine starke Wanderungsbewegung ist da. Als Indiz nennt Liebig den Ansturm auf die Sprachschulen.

In klassischen Einwanderungsländern wie den USA, Kanada und Australien hingegen entwickelt sich die Migration in ruhigen Bahnen. Doch von einem interessanten Trend in der Migrationspolitik weiß Liebig zu berichten. Er betrifft Länder, die Migranten bisher – etwa auf Basis eines Punktesystems – aufgrund ihrer Qualifikation aufgenommen haben, auch dann, wenn sie kein Jobangebot vorweisen konnten. Von dieser Praxis gehe man mehr und mehr ab. Der Grund: Diese in der Regel gut ausgebildeten Einwanderer finden zwar meist Arbeit, aber zu oft eine, die nicht ihren Qualifikationen entspricht. Der Akademiker als Taxifahrer aber ist kein politisch angestrebtes Ziel.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.06.2012)

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