In Österreich tickt eine „Haftungsbombe“

dapd
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Nur in Irland ist der Anteil öffentlicher Garantien und Haftungen am BIP noch höher als in Österreich, sagt eine Eurostat-Studie. Das Bedrohungspotenzial erreicht schon die Hälfte der „offiziellen“ Staatsschuld.

Wien/Ju. Österreich liegt mit seiner offiziellen Staatsschuld (nach Maastricht-Berechnung) innerhalb der EU zwar komfortabel im Mittelfeld. Im Hintergrund lauert aber ein Bedrohungsszenario, das die Alpenrepublik im Ernstfall sehr schnell in die Spitzengruppe der Schuldenstaaten katapultieren könnte: Die Garantien, die der Staat, aber auch die Länder für alles Mögliche übernommen haben, sind signifikant höher als in praktisch allen anderen EU-Staaten. Mit einer Ausnahme: Irland ist mit großem Abstand „Garantie-Europameister“.

In einer Donnerstagabend vom EU-Statistikamt Eurostat veröffentlichten Analyse der Staatsschulden („Structure of government debt in Europe 2011“, veröffentlicht in „Statistics in Focus“ 34/2012) zeigt sich, dass (siehe Grafik) Österreich und Irland bei der Vergabe von Staatsgarantien allein auf weiter Flur stehen: In Irland garantieren die „öffentlichen Hände“ mit 110,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, ein Schlagendwerden dieser Garantien würde den Staatsschuldenstand dort blitzartig verdoppeln.

In Österreich liegt das Bedrohungspotenzial laut Eurostat bei immerhin 38,1 Prozent des BIPs, was im Katastrophenfall einen schlagartigen Anstieg der offiziellen Staatsschuld (derzeit rund 223 Mrd. Euro) um fast 50 Prozent bedeuten würde.

Allerdings nur der offiziellen, denn ein nicht geringer Teil der Garantien wird ja für Verbindlichkeiten ausgelagerter Staats- und Landesgesellschaften abgegeben, die Schulden sind de facto also schon da.

Die öffentliche Hand garantiert etwa für Schulden der ÖBB, der Asfinag, der Bundesimmobiliengesellschaft und anderer ausgelagerter Unternehmen mit knapp 30 Mrd. Euro, weitere 11 Mrd. Euro entfallen laut Staatsschuldenbericht auf Garantien für „marktbestimmte Betriebe der Gemeinde Wien“. Von den Ländern wurden umfassende Haftungen für die diversen Landeshypos abgegeben, wobei das korruptionsgeschüttelte Kärnten mit immer noch rund 18 Mrd. Euro Haftung für seine gestrauchelte Landeshypo den Vogel abschießt. Diese Haftungen schmelzen aber dank eines EU-Haftungsverbots für Landesbanken sukzessive ab.

Garantien im zweistelligen Milliardenbereich gibt es auch im Rahmen des Bankenrettungspakets der Regierung. Hier ist noch völlig offen, wie viel an Risikopotenzial für den Steuerzahler letztendlich übrig bleiben wird. Nach jüngstem Stand dürften allein 27 Mrd. Euro an Haftungen für die Bad Bank der Kommunalkredit und die geplante Sondergesellschaft für die Auslagerung der faulen Kredite der Hypo Alpe Adria fällig werden.

ESM noch nicht berücksichtigt

Das ist in der Eurostat-Studie, die sich auf Daten aus dem Jahr 2011 beruft, freilich ebenso wenig enthalten wie die jüngst beschlossenen Garantien für den Euro-Rettungsschirm ESM. Die machen (gemeinsam mit den Zusagen für den noch ein Jahr bestehenden Rettungsschirm ESFS) rund 41 Mrd. Euro aus.

Die Garantiebombe ist in diesem Jahr also noch deutlich bedrohlicher geworden.

in Österreich kann man mit der Eurostat-Studie eher wenig anfangen. Ein Sprecher der Statistik Austria sagte zur „Presse“, man könne dazu nicht Stellung nehmen, weil man nicht wisse, was Eurostat alles in seine Statistik hineingerechnet habe. Zudem seien Länderdaten in Bezug auf Garantien „nicht vergleichbar“. Tatsächlich führt die Studie die Art der berücksichtigten Garantien nicht detailliert an. Studienautorin Julia Stanislav Eminescu scheint dabei aber zurückhaltend vorgegangen zu sein: 38,1 Prozent des BIPs entsprächen in Österreich etwas mehr als 100 Mrd. Euro. Innerösterreichische Schätzungen gehen davon aus, dass die „öffentlichen Hände“ insgesamt mit mehr als 160 Mrd. Euro garantieren. Ein Überblick ist schwierig, weil Ausgliederungen besonders auf Gemeindeebene sehr intransparent laufen.

Auf einen Blick

Österreich und Irland haben (in Relation zu ihrer Wirtschaftsleistung) weit überdurchschnittliche staatliche Garantien abgegeben, geht aus einer Eurostat-Studie hervor. Das birgt beträchtliches Bedrohungspotenzial für die Budgets.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.07.2012)

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