Staat fördert Bauern stärker als nötig

dpa/Soeren Stache
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Österreich hat 741 Millionen Euro zu viel an die Bauern ausgeschüttet, kritisiert der Rechnungshof. Fördergeber in den Ländern verteilten das Geld dabei auch gern an sich selbst.

Wien. Der EU ist die Entwicklung des ländlichen Raumes in Österreich viel wert. Gut vier Mrd. Euro hat Brüssel von 2007 bis 2013 dafür vorgesehen. Österreich wollte da nicht zurückstehen und verdoppelte den Betrag auf in Summe acht Mrd. Euro. Nur so könne man „jeden Euro aus Brüssel abholen“, argumentierten Landesagrar-Referenten ihr 2006 gefälltes „Verdoppelungserfordernis“. Stimmt nicht, kritisiert der Rechnungshof (RH). Auch deutlich weniger Kofinanzierung hätte ausgereicht, um dieselben EU-Mittel zu lukrieren. 741 Mio. Euro seien so freiwillig zu viel an die Bauern ausgeschüttet worden, heißt es an die Adresse von Landwirtschaftsminister Nikolaus Berlakovich (ÖVP). Dort wehrt man sich: Die „nationale Regelung sei „umfassend rechtlich legitimiert“. Einen Ministerratsbeschluss für die Übererfüllung gab es aber nicht.

Wald sanieren statt Kinder hüten

Der RH hat auch nachgesehen, was mit dem Geld aus dem prallen Subventionstopf geschehen ist – und stieß dabei auf einige unangenehme Details. So floss deutlich mehr Geld an Bauern als vorgesehen, Projekte wurden finanziert, die gar nicht förderwürdig waren, und die vergebenden Personen bedachten sich mitunter gern selbst mit Subventionen. Genauer unter die Lupe nahm der RH etwa das Projekt Leader.

Auch hier habe Österreich 47 Mio. Euro mehr „beigesteuert“ als notwendig. Ziel des Programms ist es, „innovative Entwicklungen im ländlichen Raum“ zu fördern. Gemeint ist nicht klassische Agrarförderung. Im Gegenteil. Hier sollen Ideen der Bevölkerung umgesetzt werden, Bürgerbeteiligungsmodelle erprobt, Kinderbetreuungsplätze geschaffen werden. Kein Wunder, dass Leader auf dem Land beliebt ist. Gelandet sei das Geld aber wieder bei den Bauern, kritisiert der RH. 65 Prozent aller Leader-Projekte seien „unecht“. Statt Kinderbetreuung zu schaffen seien Wälder saniert worden, so das Urteil der Kontrollore. Der Umgang der Landesfürsten bzw. ihrer Förderstellen mit dem Steuergeld war dabei recht locker. Kärnten etwa hat bei einem Projekt mit Slowenien 40 Mal mehr beigetragen als die Nachbarn. Unangenehm wird so viel Großzügigkeit, wenn man sieht, dass sich die Fördergeber mitunter selbst finanziert haben.

Prüfer ohne Problembewusstsein

So genehmigte ein Kärntner Beamter Fördermittel für ein Projekt einer Firma, in dessen Aufsichtsrat er saß. Ein Salzburger gab Geld für die Gemeinde frei, dessen Bürgermeister er war. „Ein schwerwiegender Fall von Unvereinbarkeit“, so der RH. Aber immerhin war das Projekt subventionswürdig. Auch das war nicht immer der Fall. So wurden in Kärnten Projekte gefördert, die den Kriterien nicht entsprachen. Das Land habe seine Kontrollpflicht „gröblich“ vernachlässigt, so der RH.

Auch mit der Agrarmarkt Austria (AMA), mit der Kontrolle der Agrarförderungen beauftragt, geht der RH hart ins Gericht. Dort kann man die Vorwürfe nicht nachvollziehen. Indirekt bestätigt der RH diese Meinung sogar: Was der AMA laut Bericht vor allem fehle, sei das „Problembewusstsein“.

Grafik: Die Presse

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.08.2012)

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