Den Bewerbern mangle es oft an Einsatzbereitschaft und Mobilität, so die Wirtschaftskammer. Daher sucht man jetzt im Ausland. WKO und Industriellenvereinigung fordern eine Ausweitung der Rot-Weiß-Rot-Card.
Wien/hie. Der Facharbeitermangel wird zunehmend zum Problem für die heimischen Unternehmen. „Wenn wir das Problem nicht in den Griff kriegen, bedeutet das zusätzliche Wachstumseinbußen“, sagte Anna Maria Hochhauser, Generalsekretärin der Wirtschaftskammer (WKO), am Dienstag. Im nächsten halben Jahr würden die österreichischen Betriebe 148.000 zusätzliche Mitarbeiter benötigen. Besonders gefragt sind Arbeitskräfte mit Lehrabschluss (89.000). Gesucht werden zudem 14.000 Hilfskräfte, 8000 Uni- oder FH-Absolventen, 8000 Maturanten und 29.000 Lehrlinge. Bedarf bestehe vor allem in technischen Berufen, im IT- und Managementbereich, der Kommunikationstechnologie und im Dienstleistungssektor.
Laut einer Umfrage der WKO findet ein Drittel der österreichischen Betriebe schon jetzt in manchen Bereichen keine geeigneten Bewerber. Im Vergleich zum Vorjahr habe sich die Lage verschärft. Es bestehe aber nicht nur ein Mangel an Qualifikation. Den Bewerbern fehle es häufig an Einsatzbereitschaft und Leistungswillen. Vor allem die Mobilität stelle oft ein Problem dar. Das sei etwa für den Tourismus ein großes Problem: „Sie werden keinen Wiener oder keine Wienerin finden, der oder die in Tirol in der Gastronomie eine Lehre macht. Aber Ostdeutsche sind dort“, so Hochhauser.
Deutlich mobiler werden potenzielle Arbeitskräfte in EU- und Drittstaaten eingeschätzt, in denen die Lage auf dem Arbeitsmarkt wegen der Krise schlechter ist als hierzulande. Etwa ein Fünftel des Arbeitskräftebedarfs könne nicht durch das Angebot im Inland gedeckt werden. Deshalb will man jetzt Arbeitskräfte im Ausland anwerben. Potenzial gebe es vor allem in Portugal, Spanien, Griechenland, so der Bevölkerungsexperte Rainer Münz auf der Pressekonferenz der Wirtschaftskammer. Laut Münz würden die Goethe-Institute von auswanderungswilligen Spaniern gestürmt, die Deutsch lernen wollten.
Hochhauser zufolge wolle man sich auch in Bosnien und Serbien, aber auch in Mexiko verstärkt umsehen. Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung fordern daher eine Ausweitung der Rot-Weiß-Rot-Card auf Bachelorabsolventen. Bislang können die Karte nur Absolventen von Diplom- und Masterstudien aus Drittstaaten beantragen, die mehr als 1903 Euro verdienen. Seit 1. Juli 2011 sind laut WKO 2000 Bewilligungen erteilt worden.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.09.2012)