Geht Alcatel-Chef Harald Himmer?

Geht AlcatelChef Harald Himmer
Geht AlcatelChef Harald Himmer(c) Dapd (Francois Mori)
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Gegen den Konzern-Chef und ÖVP-Bundesrat Harald Himmer wird wegen mutmaßlicher Schmiergeldzahlungen ermittelt. Jetzt soll sein Chefsessel bei Alcatel-Lucent Österreich wackeln.

Wien. Harald Himmer hat eine echte Bilderbuchkarriere hingelegt – in der Politik und in der Wirtschaft: Mit 26 Jahren wurde er Bundesobmann der Jungen ÖVP und erregte mit seinem Wahlslogan „Bonzen quälen, Himmer wählen“ größtmögliche Aufmerksamkeit. Fünf Jahre später war er Bezirksparteiobmann der ÖVP-Landstraße und Mitglied des Bundesrates. Mittlerweile ist er Vizepräsident des Bundesrates. Trotzdem zog es ihn von Anfang an auch in die Wirtschaft: Als 28-Jähriger heuerte er beim IT-Konzern Alcatel an, wo er es kurze Zeit später zum Vertriebsdirektor brachte. Seit Anfang 2007 ist Harald Himmer Generaldirektor von Alcatel-Lucent Österreich.

Offenbar ist er das aber nicht mehr lange: Im Konzern wird hinter vorgehaltener Hand erzählt, dass Himmer mit Jahresende gehen muss. Dann läuft nämlich sein Vertrag aus – und der werde nicht mehr verlängert, heißt es. Die Pressesprecherin des Unternehmens kann sich – nach Rücksprache mit der Chefetage – nur zu einem „kein Kommentar“ hinreißen lassen.

Alcatel-Konzern irritiert

Überraschend käme der Abgang Himmers jedenfalls nicht. Denn gegen den mittlerweile 47-Jährigen ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Untreue. Selbstverständlich gilt die Unschuldsvermutung. Aber immerhin waren die Vorwürfe gegen Himmer schon im vergangenen Jahr der französischen Konzernzentrale zu Ohren gekommen. Und von dort verlautete: „Alcatel-Lucent kennt die medial transportierten Behauptungen und geht der Sache nun auf den Grund.“ Man nehme die Angelegenheit „ernst“ und sichere den Behörden volle Kooperation zu.

Es geht um die sogenannte „Blaulicht-Affäre“. Dabei steht der Verdacht im Raum, dass bei der Vergabe des Blaulichtfunksystems „Tetron“ an das Konsortium Alcatel/Telekom Austria Schmiergeld geflossen ist. Und zwar über den Lobbyisten Alfons Mensdorff-Pouilly. Eine Öffnung von Mensdorff-Pouillys Firmenkonten förderte jedenfalls Erstaunliches zutage: Von Ende 2005 bis Mitte 2007 wurden insgesamt 719.970 Euro von Alcatel überwiesen.

Die Angelegenheit wurde mittlerweile auch im Korruptions-Untersuchungsausschuss behandelt. Ende Juni war Harald Himmer dort vorgeladen worden. Er wies alle Korruptionsvorwürfe zurück: Alfons Mensdorff-Pouilly habe man aus ganz anderen Gründen beauftragt – nämlich für die Positionierung von Alcatel am ungarischen Markt. Alcatel Österreich habe versucht, für potenzielle Projekte in Ungarn an Informationen zu kommen.

Dem stehen jedoch Aussagen von Ex-Telekom-Vorstand Gernot Schieszler gegenüber, der bei der Justiz Kronzeugen-Status anstrebt. Schieszler behauptet, dass Himmer wiederholt bei der Telekom-Austria gedrängt und interveniert habe – die Telekom möge doch endlich ihren Anteil der Zahlung an Mensdorff-Pouilly leisten, Alcatel habe das bereits getan.

Mysteriöse Vergabe

Vor dem Untersuchungsausschuss meinte Himmer: „Sie können mir glauben, dass niemanden die Aussagen des Gernot Schieszler stutziger gemacht haben als mich.“ Schieszler irre sich jedenfalls.

Tatsache ist, dass die seinerzeitige Vergabe des Blaulichtfunksystems unter dem damaligen ÖVP-Innenminister Ernst Strasser reichlich mysteriös abgelaufen ist: Ausgeschrieben worden war das sogenannte BOS-Funksystem von der Republik Österreich erstmal im Herbst 2001, unter dem Projektnamen „Adonis“. Im Frühling 2002 erhielt das Bieterkonsortium „Master Talk“ den Zuschlag – es war von Siemens, Verbund, Wiener Stadtwerken und Raiffeisen Zentralbank gebildet worden.

Doch dann monierte Strassers Ministerium plötzlich „technische Mängel“. Mitte 2003 wurde das Projekt gestoppt, das Konsortium erhielt eine Abschlagszahlung von rund 30 Mio. Euro.

2004 wurde der Auftrag (von „Adonis“ auf „Tetron“ umgetauft) neu vergeben – und zwar an ein Konsortium von Alcatel, Motorola und Telekom Austria.

Im U-Ausschuss gab Hansjörg Tengg, seinerzeit Geschäftsführer des „Mastertalk“-Konsortiums, zu Protokoll, dass Strasser die Technikprobleme bei „Adonis“ lediglich „konstruiert“ habe, um das Konsortium aus dem Vertrag zu drängen. Strasser entgegnete: „Sollte es Unregelmäßigkeiten gegeben haben, wäre das für mich eine tiefe Enttäuschung.“

Auf einen Blick

Harald Himmer, Jahrgang 1964, ist ÖVP-Politiker und seit Anfang 2007 Chef von Alcatel-Lucent Österreich. Gegen ihn ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Untreue: Für den Auftrag, in Österreich ein Blaulichtfunksystem zu errichten, sollen mutmaßlich Schmiergelder geflossen sein. Gerüchten zufolge soll Himmer jetzt seinen Job als Alcatel-Chef verlieren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.09.2012)

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