Wettmafia: "Spielabsprachen sind wie Finanzprodukt"

FussballKapitalismus seine Schattenseiten
FussballKapitalismus seine Schattenseiten(c) EPA (Angelika Warmuth)
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Sportwetten in Asien boomen. Aber allein in China sind neun von zehn Wetten illegal. Das legt den Grundstein für organisierte Kriminalität.

Vor einer Woche deckte die europäische Polizeibehörde Europol den größten Wett-Skandal in der Fußbgallgeschichte auf. Über 380 Spiele in Europa und weitere 300 in Asien, Süd- und Mittelamerika sowie Afrika wurden zwischen 2008 und 2011 geschoben. 425 korrupte Spieler, Schiedsrichter und Funktionäre sollen sogar WM- und EM-Qualifikationsspiele manipuliert haben. "Das ist das erste Mal, dass wir substanzielle Beweise dafür haben, dass die Organisierte Kriminalität nun auch in der Welt des Fußballs agiert", sagte Europol-Chef Rob Wainwright.

Dass der Ausgangspunkt in Asien liegt, überrascht dort tätige Ermittler übrigens nicht. Spielmanipulation sei längst ein riesiges Unternehmen auf einem Niveau mit Rauschgiftschmuggel, Prostitution sowie illegalem Waffenhandel, schrieb "Die Presse" nach Bekanntwerden des Skandals. Der dieswöchige Beitrag der Schattenwirtschaft-Serie widmet sich daher dem Bereich der Sportwetten und seinen legalen und illegalen Ausformungen.

Spielmanipulationen sind nur "Peanuts"

Eine interessante Erkenntnis gleich zu Beginn: Die Summen, die mit Spielmanipulationen verdient werden, dürften für die asiatischen Sportwetten-Anbieter "Peanuts" sein, schreibt "WSJ.de" in einem aktuellen Bericht. Dieser Überzeugung ist Chris Eaton, ehemaliger Sicherheitschef des Weltfußballverbands Fifa und heutiger Direktor bei der Forschungseinrichtung International Centre for Sport Security (ICSS): "Die Unternehmen setzen so viel Geld um, dass ihnen die organisierte Kriminalität kaum auffällt." Und tatsächlich geht Europol davon aus, dass die Betrüger im aktuellen Fall gerade einmal acht Millionen Euro gewonnen haben. Die Wettmafia macht also nur einen kleinen Teil des rasant wachsenden Sportwetten-Geschäfts aus.

Das zeigt sich auch am Beispiel China. Die Spielleidenschaft der Bevölkerung wird immer mehr zu einem bedeutenden Wirtschaftsfaktor. Seit 1995 ist dort das Wetten auf Sportergebnisse erlaubt - unter staatlicher Aufsicht. Viele Wetten finden aber abseits der staatlichen Kanäle statt. "Illegale Anbieter bieten höhere Gewinnquoten und sind unterhaltsamer als die offiziellen Lotterien", sagt Wang Xuehong vom staatlichen chinesischen Center for Lottery Studies, wie "Focus" berichtete. Tatsächlich zahlen die illegalen Wettbanden bis zu 99 Prozent des Einsatzes als Gewinn wieder aus. Im Vergleich: Beim staatlichen Glücksspiel liegt diese Quote bei maximal 65 Prozent. Möglich wird das durch die enormen Summen, die bewegt werden. Einige asiatische Buchmacher sollen sogar Umsätze in der Größenordnung von Coca Cola erwirtschaften - der Konzern setzt rund 50 Milliarden Dollar pro Jahr um.

Geschäft mit Sportwetten wächst am schnellsten

Am schnellsten wächst das illegale Geschäft mit Sportwetten. Die Chinesen setzen dabei zu 90 Prozent auf Fußball. Laut "WSJ.de"-Bericht liegt das Verhältnis zwischen illegalen und legalen Sportwetten in China bei 10:1. "Über Mobiltelefone und SMS-Nachrichten tauschen Zocker Tipps aus, kleine Buchmacher sammeln die Einzelwetten von bis zu 10.000 Dollar in Straßenbars ein und geben sie an Zwischenhändler weiter, die sie auf Online-Portalen absetzen", so "Focus".

Die chinesischen Marktführer IBCBet, SBOBet und 188Bet haben eine Lizenz in Manila. Denn auf den Philippinen sind im Gegensatz zu den meisten anderen asiatischen Staaten Sportwetten legal. Die Regierung lockt zudem mit wenigen Vorschriften.

Singapur - Welthautpstadt der Sportwetten

Geht es um internationale Sportwetten, laufen aber alle Fäden im Stadtstaat Singapur zusammen. Die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" nennt einen Grund dafür: "Nicht nur der Kauf von Immobilien oder der Gang ins Casino bieten die Chance, das in den Nachbarländern verdiente Schwarzgeld zu waschen - auch illegale Sportwetten eignen sich dazu." Ein anderer Grund liege darin, dass Asiaten Glücksspiele lieben würden. "Eine große Anzahl Asiaten wollen spielen, ihre Regierungen lassen sie nicht, und so hat eine ganze illegale Industrie ein Tabu-Produkt geschaffen", sagt dem Bericht zufolge Declan Hill, Spezialist für illegales Glücksspiel. Der "Kurier" hebt wiederum Singapurs Bedeutung als Steuerparadies und Finanzdrehscheibe hervor. "Singapur ist das Epizentrum, weil dort das Geld aus ganz Asien zusammenfließt", zitiert die Zeitung den italienischen Wettexperten Antonio Talia. "Spielabsprachen sind wie ein Finanzprodukt", so Talia.

Das Beispiel Singapur zeigt folgendes: Unabhängig von Geldwäsche und Wettbetrug ist das Verbot von Sportwetten in den meisten asiatischen Ländern das Hauptproblem. Wer wetten will, wird in die Illegalität getrieben. Experte Hill vergleicht das laut "WSJ.de" mit der Zeit der Alkohol-Prohibition in den USA, zu der in der Schattenwirtschaft-Serie bereits ein Bericht erschienen ist. "Große Teile der Bevölkerung tun etwas, was die Regierung verbietet. Das legt den Grundstein für die organisierte Kriminalität".

Prohibition oder Legalisierung?

Experten fordern daher als einen ersten Schritt eine kontrollierte Öffnung der Wettindustrie. Die Wetten normaler Sportfans sollten entkriminalisiert und die Transaktionen bei lizensierten Anbietern staatlich beaufsichtigt werden, forderten dem "WSJ.de"-Bericht zufolge kürzlich indische Cricket-Veranstalter und Vertreter von malaysischen Fußballverbänden.

Dazu passend errechnete der Ökonom Friedrich Schneider im Jahr 2007, dass Verbote privater Sportwetten zu einer Verlagerung des Wettgeschehens in den Bereich des Schwarzmarktes führen. Das ziehe auch volkswirtschaftliche Kosten nach sich: Ein erheblicher Ausfall von Steuern und Zweckabgaben sowie der Verlust von Arbeitsplätzen seien die Folge. Zudem wären Spieler kriminellen Praktiken wie Wucherzinsen, Beschaffungskriminalität und Erpressung schutzlos ausgeliefert.

"Fußballkapitalismus inszeniert sich als Saubermann"

Die elektronische Zeitung "Schattenblick" wiederum macht auf einen anderen Aspekt aufmerksam. "Während die Schattenwirtschaft zum eigentlichen Übel stilisiert wird, macht der internationale Fußballkapitalismus, der die Ware Sport zu höchsten Preisen verscherbelt und durch die nahezu ungehemmte Kommerzialisierung des Wettkampfes überhaupt erst den galoppierenden Wett- und Glücksspielmarkt möglich gemacht hat, den Reibach und inszeniert sich noch dazu als großer Saubermann."

Ähnlich sehen das auch die deutschen Grünen. Während Fifa-Chef Joseph Blatter nach jedem neuen Wettskandal vom Fußball als "Geisel illegaler Aktivitäten" spricht, schieben ihm Kritiker eine Mitverantwortung zu, wie "Die Welt" berichtet. Blatter sei selbst ein Teil des Problems. "Zwar spricht Sepp Blatter davon, im Kampf gegen Matchmanipulationen helfen zu wollen, doch lässt er seinen Worten keine Tagen folgen", so die sportpolitische Sprecherin der Grünen, Viola von Cramon. "Notwendige Sanktionierungen gegen Verbände, die Spielmanipulatoren tolerieren, blieben bislang aus."

Experte Hill ortet im Interview mit dem "Tagesspiegel" ebenfalls ein Glaubwürdigkeitsproblem der Fifa: "Es gibt viele Spieler, die sich nach all den Vorfällen innerhalb des Fußball-Weltverbands fragen: Kann ich mich wirklich der Fifa anvertrauen?"

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