Handel: Mehr Geld statt Urlaub?

Handel Mehr Geld statt
Handel Mehr Geld statt(c) APA (HANS KLAUS TECHT)
  • Drucken

40 Prozent der Handelsangestellten wollen sich laut Wirtschaftskammer Urlaube ausbezahlen lassen. Grund dafür seien nicht niedrige Löhne, sondern gestiegene Kosten.

Wien/Juk. Es ist für Mitarbeiter in anderen Branchen schwer nachvollziehbar, dass ein Arbeitnehmer auf einen Teil seiner Urlaubstage verzichtet und stattdessen lieber Bares in die Hand gedrückt bekommen will. Unter Handelsangestellten ist der Wunsch offenbar weiter verbreitet als angenommen. 30 bis 40 Prozent der Angestellten würden derzeit den Wunsch hegen, sich ihre Urlaubstage ausbezahlen zu lassen, sagt Bettina Lorentschitsch, oberste Händlerin in der Wirtschaftskammer, kurz bevor die erste Lohnverhandlungsrunde mit der Gewerkschaft am 24. Oktober startet.

Ein Zeichen, dass die Handelsangestellten nicht mit ihren oft als niedrig beklagten Gehältern auskommen? Schon. Doch den Grund dafür sehen die Arbeitgebervertreter überall, nur nicht bei den Löhnen. Sie machen die gestiegenen Lebenshaltungskosten dafür verantwortlich ebenso wie die hierzulande ungleich höheren Lohnnebenkosten. Höhere Löhne würden ja nur in sehr geringem Umfang bei den Mitarbeitern ankommen. „Drei Euro mehr für den Mitarbeiter bedeuten sechs Euro mehr für den Arbeitgeber“, so Lorentschitsch.

Für Manfred Wolf, der für die Gewerkschaft in die Verhandlungen über die Löhne und Gehälter für die Handelsmitarbeiter geht, steht das Thema „Geld statt Urlaub“ aber gar nicht zur Disposition: „Es gibt absolut keine Veranlassung, über dieses Thema zu sprechen“, sagt er. „Es ist nicht so, dass die Beschäftigten uns wegen dieses Problems die Tür einrennen.“ Zwar finde er gut, dass die Arbeitgeber thematisieren würden, „dass sie nicht die Löhne zahlen, die ihre Mitarbeiter verdienen. Aber sie haben dafür den falschen Lösungsansatz.“ Wolf forderte einmal mehr „faire und gerechte Löhne“ für die Handelsangestellten. Im letzten Jahr einigten sich die Sozialpartner auf einen Mindestlohn von 1350 Euro brutto (entspricht 1080 Euro netto). Wie hoch der Durchschnittslohn im Handel ist, lässt sich laut Lorentschitsch nicht seriös beantworten.

Rechtlich ist es Arbeitnehmern – vorausgesetzt, sie haben ein aufrechtes Dienstverhältnis – nicht möglich, sich ihre Urlaubstage in Geld abgelten zu lassen, sagt Martina Großinger, Arbeitsrechtsexpertin bei der Wirtschaftskammer. Dies gehe nur dann, wenn der Vertrag eines Mitarbeiters gekündigt wurde und dieser seine Urlaubstage nicht mehr konsumieren kann. Die Kammer wolle kein „Verhinderer“ sein, sagt René Tritscher, Geschäftsführer der Sparte Handel. „Wenn sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber das wollen, warum soll es dann nicht möglich sein?“

Arbeit soll an jedem Samstag möglich sein

Ähnliches gelte für die Möglichkeit für Handelsmitarbeiter, an zwei aufeinanderfolgenden Samstagen zu arbeiten. Viele Frauen in Teilzeit würden demnach gerne am Freitag und am Samstag arbeiten, da in dieser Zeit Partner für die Kinderbetreuung sorgen könnten. Doch auch das sei derzeit rechtlich nicht möglich: Wird an einem Samstag nach 13 Uhr gearbeitet, müsse die Mitarbeiterin am darauffolgenden Samstag frei bekommen.

Gewerkschafter Wolf sieht die Gefahr, dass die Lockerung der Schutzbestimmung „unter dem Deckmäntelchen der Individualisierung“ dazu führen könnte, dass Arbeitgeber die Zustimmung ihrer Mitarbeiter erzwingen, an hintereinander folgenden Samstagen zu arbeiten. „Wer Angst um seinen Arbeitsplatz hat, hat keine Wahlfreiheit.“ Lorentschitsch hingegen hält die gesetzlichen Regelungen für zu starr: „Mindeststandards müssen sein, doch wir müssen nicht zu Tode schützen.“

Auf einen Blick

Die WKO will für die 570.000 Handelsangestellten flexiblere Regelungen im Kollektivvertrag schaffen. Sie sollen sich unter anderem Urlaub ausbezahlen lassen können, wenn gewünscht. 40 Prozent der Mitarbeiter hätten Interesse an einer solchen Regelung.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.10.2012)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.