Eine Apotheke besiegt die Kammer

Apotheke am Wiener Graben
Apotheke am Wiener GrabenDie Presse
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Im Streit um den langen Samstag hat sich eine Apotheke gegen die Behörden und die Kammer durchgesetzt. In der Wiener Innenstadt kann man nun wieder jeden Samstag bis 18 Uhr Medikamente kaufen.

Wien. Es war ein Kampf wie David gegen Goliath. Eine Apotheke in der Wiener Innenstadt probte den Aufstand gegen die Apothekerkammer und die Behörden. Bei der Auseinandersetzung geht es um den langen Samstag für Pharmazeuten. Die Kammer pocht darauf, dass am Samstag um 12 Uhr die Rollbalken heruntergelassen werden müssen, egal ob es den Kunden gefällt oder nicht. Nur Pharmazeuten, die gerade Bereitschaft haben, dürfen nach Ansicht der Kammer auch außerhalb der vorgegebenen Öffnungszeiten Medikamente verkaufen.

Die Apotheke am Wiener Graben wollte diese Restriktionen nicht hinnehmen. Zehn Jahre lang – von 2001 bis 2011 – sperrte sie am Samstagnachmittag auf, ohne dass sich jemand darum kümmerte. Das Argument der Kammer, dass es für längere Öffnungszeiten keinen Bedarf gebe, wurde klar widerlegt. Pro Samstagnachmittag zählte man durchschnittlich 400 Kunden. Schließlich kamen auch andere Pharmazeuten in Einkaufsstraßen und Shoppingzentren auf den Geschmack und sperrten am Samstag auf.

Disziplinarverfahren der Kammer

Doch die Kammer ging rigoros gegen Rebellen vor. Gegen den Apotheker Uwe Schehl von der „Apotheke zur Kaiserkrone“ in der Mariahilfer Straße wurde ein Disziplinarverfahren eingeleitet.

Noch schlimmer traf es die Apotheke am Wiener Graben. Die Magistratsabteilung 40 (MA 40), zuständig für Sozial- und Gesundheitsrecht, entzog ihr im Oktober 2011 die Konzession. In dem Schreiben war von einer groben Rechtsverletzung die Rede.

Durch die Maßnahme war die Apotheke in ihrer Existenz gefährdet. „Wir ließen uns nicht einschüchtern, sondern setzten uns zur Wehr“, sagt Anwalt Peter Krüger, der die Apotheke am Graben vertritt. Seit dem gestrigen Freitag kann er aufatmen. Der Unabhängige Verwaltungssenat (UVS) hob die Entscheidung der MA 40 über den Entzug der Konzession auf. „Meine Mandanten haben ein Jahr lang gezittert. Nun ist die Apotheke gerettet“, betont Krüger.

Heute bis 18 Uhr geöffnet

In der Wiener Innenstadt kann man nun wieder jeden Samstag bis 18 Uhr Medikamente kaufen. Gleich heute soll damit begonnen werden. Bereits in der Vorwoche erkämpfte die Apotheke am Graben beim Unabhängigen Verwaltungssenat einen positiven Bescheid zu den Öffnungszeiten. Bei diesem Verfahren ging es um die Betriebsverordnung, wonach alle 315 Wiener Apotheken von Montag bis Freitag von 8 Uhr bis 12 Uhr und von 14 Uhr bis 18 Uhr und Samstag von 8 Uhr bis 12 Uhr offenhalten sollen. Der Verwaltungssenat stellte fest, dass die Konzessionsinhaber innerhalb dieser Zeiten zwingend aufsperren müssen.

„Von einem Verbot, zu anderen Zeiten offenzuhalten, ist nirgends die Rede“, sagt Anwalt Krüger. Damit sei für ihn klargestellt, dass alle Pharmazeuten, die am Samstagnachmittag arbeiten wollen, dies auch dürfen.

Die Kammer lenkt nicht ein

Doch die Österreichische Apothekerkammer schaltet auf stur. Sie behauptet, dass die Apotheke am Graben den UVS-Entscheid falsch interpretieren würde. „Für uns hat sich nichts geändert. Die Wiener Öffnungszeiten bleiben gleich“, sagte ein Vertreter der Kammer am Freitag. Außerhalb der festgelegten Zeiten würden die Wiener „nach einem ausgeklügelten, flächendeckenden Turnussystem betreut, um das uns jede Großstadt beneidet“. Bei der für Sanktionen zuständigen MA 40 heißt es, man prüfe gerade den Bescheid des Verwaltungssenats. Solange diese Prüfung andauert, werden die Beamten nicht gegen die Apotheke am Graben vorgehen.

In der Branche sorgt der Konflikt in Wien für Verwunderung. Denn in Städten und Tourismuszentren anderer Bundesländer, etwa in Graz, Salzburg und Linz, dürfen Apotheken zum Teil schon jetzt am Samstag bis 18 Uhr offenhalten. Hier einigen sich die städtischen Behörden und die Kammer schnell und unbürokratisch.

In Wien müssen sich Konsumenten jedoch gedulden. Man mache sich über die Öffnungszeiten Gedanken, sagt Andrea Vlasek, Präsidentin der Wiener Apothekerkammer. Doch eine Änderung des bestehenden Systems sei frühstens 2014 umsetzbar.

Auf einen Blick

Seit Jahren wird um längere Öffnungszeiten für Apotheken gestritten. In Wien möchten Pharmazeuten auch am Samstag bis 18 Uhr aufsperren, doch die Kammer legt sich dagegen quer. Nun hat sich eine kleine Apotheke in der Wiener Innenstadt beim Unabhängigen Verwaltungssenat durchgesetzt. Von dem Bescheid sollen alle Apotheken profitieren, die länger offenhalten wollen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.10.2012)

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