Prohibition: Als Sauerkraut eine illegale Droge war

Prohibition Sauerkraut eine illegale
Prohibition Sauerkraut eine illegale(c) APA (Helmut Fohringer)
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Mit dem Alkoholverbot überließen die USA 1920 einen ganzen Wirtschaftsbereich der Illegalität. Ein Experiment, das scheiterte.

Am 16. Jänner 1919 beschloss der US-Kongress ein nahezu vollständiges Alkoholverbot. Ein Jahr später trat der 18. Verfassungszusatz in Kraft, der Herstellung, Verkauf und Transport von berauschenden Getränken verbot. Kurzzeitig sank zwar der Alkoholkonsum um ein Drittel und die Zahl der Alkoholtoten ging zurück. Coca Cola verdoppelte seinen Umsatz. Doch das "noble Experiment", wie man die Prohibition damals auch bezeichnete, scheiterte.

Das lag wohl auch daran, dass mit einem Schlag ein riesiger Markt in die Illegalität geriet. "Angestellte verwandeln sich in Schmuggler und Schwarzbrenner, Krämer tuscheln über illegale Lieferanten, Destilliergeräte und ideale Hefemengen. Der Hobbykeller wird zur Hexenküche, das 'American Home' zur Schnapsfabrik; ganze Stadtviertel brennen in Heimarbeit Rohalkohol, etwa aus Zuckermais", ist darüber in "Geo Epoche" (Nr. 48, Mafia) nachzulesen.

Sauerkraut als "illegale Droge"

Viele Menschen verloren ihren Job. Nicht nur all jene, die in der Herstellung und im Verkauf von Alkohol tätig waren, sondern auch jene in der Transportindustrie. "Für den Staat entwickelte sich das zu einem ernsthaften Problem, denn viele der nun Arbeitslosen suchten sich gar keinen neuen Job, sondern betrieben ihren alten Job einfach illegal weiter", schreibt Philipp Berner in seiner Studienarbeit "Ursachen für das Scheitern der Prohibition". "So fielen nicht nur die Steuereinnahmen weg, welche durch den Vertrieb von Alkohol erwirtschaftet worden waren und einen nicht unerheblichen Teil der Steuereinnahmen darstellten, sondern auch die Gewerbegebühren der nun illegal betriebenen Salons, sogenannte Speakeasys, und die Einkommenssteuern der nun illegal Beschäftigten".

Weite Teile der US-Bevölkerung waren sich der radikalen Natur des neuen Gesetzes nicht bewusst. Sie glaubten, dass Leichtbier weiterhin legal erhältlich sein würde. Doch als "berauschendes Getränk" wurde laut Gesetz alles ab einem halben Prozent Alkohol eingestuft. Dem deutsch-französischen TV-Sender "Arte" zufolge, der der Prohibition momentan einen fünfteiligen Schwerpunkt widmet, wurde damit genau genommen sogar Sauerkraut - aufgrund seines Alkoholanteils von 0,5 Prozent - zur illegalen Droge. Offiziell verboten war Sauerkraut aber nie.

Zahl der Rabbis stieg massiv

Die unmittelbaren Folgen wirken aus heutiger Sicht skurril. So war etwa Messwein weiterhin erlaubt. Die Bestellungen dafür stiegen um Millionen Liter an. Auch jüdischen Haushalten war eine bestimmte Menge an Wein pro Jahr gestattet. Nötig war dafür allerdings die Bescheinigung eines Rabbis. Die jüdischen Gemeinden wuchsen daher zwischen 1920 und 1921 um das Zehnfache an. Gleichzeitig erklärten sich immer mehr Menschen zu Rabbis. Diese hatten nun nicht selten irische Namen.

Brauereibesitzer zweigten "Geo Epoche" zufolge das Vollbier vor dem Alkoholentzug auf den illegalen Markt ab. Ärzte und Drogeristen beantragten immer mehr Alkohollizenzen für "medizinische Zwecke". Denn mit einem Rezept konnte man sich legal Alkohol besorgen. Mit Ende der Prohibition hatten die US-Ärzte mehr als sechs Millionen Rezepte ausgestellt. Flüsterkneipen, "speakeasys" genannt, schossen aus dem Boden. Sie tarnten sich oft als Blumen- oder Eisgeschäfte.

Die Korruption blühte

Es waren aber vor allem zwei Probleme, welche die Prohibition mit sich brachte. Einerseits blühte die Korruption. Das lässt sich mit dem Zitat des Polizeichefs von Chicago auf den Punkt bringen: "60 Prozent meiner Leute stecken im Alkoholgeschäft". Doch auch in anderen Städte wie in Seattle landeten monatlich beachtliche Beträge in den Taschen von Polizisten und Beamten. Dem standen zu Beginn nur 2500 Prohibitionsagenten gegenüber, die für den Vollzug des Gesetzes sorgen sollten. Bei damals rund 106 Millionen Einwohnern ein Ding der Unmöglichkeit.

Andererseits erreichte die Entwicklung des Organisierten Verbrechens in den USA eine neue Dimension. "Mit der Prohibition fiel ein ganzer Wirtschaftsbereich in die Hände der Organisierten Kriminalität", schreibt Lars Johannes Gerdes in seiner Studienarbeit "Organisierte Kriminalität und regionale Konflikte". "Von der Beschaffung, über die Lagerung und den Transport, bis hin zum Verkauf und Konsum in geheimen Lokalen, war dieser Bereich ausschließlich durch kriminelle Gruppen organisiert." Nachdem sich die führenden Gruppen Anfang der 1930er Jahre zusammenschlossen, "waren sie sogar in der Lage, den wirtschaftlichen Zusammenbruch der USA in den folgenden Jahren zu überstehen".

Was von der Prohibition blieb

1933 wurde die Prohibition schließlich durch einen weiteren Verfassungszusatz wieder aufgehoben. Ein bisschen Prohibition gibt es in den USA aber heute noch, wie Patrick Welter im Wirtschaftsblog "Fazit" schreibt. Denn viele US-Bundesstaaten verbieten den Alkoholgenuss in der Öffentlichkeit. Und: Mindestens 33 Staaten beschränken den Spirituosen-Verkauf am Sonntag.

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