Kredit ohne Bank: „Nachfrage enorm“

Waldviertler Schuhe
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Nicht nur der Waldviertler Schuherzeuger Heini Staudinger kämpft mit der österreichische Finanzmarktaufsicht (FMA). Diese ermittelt in 39 Fällen. Betroffen sind die Solarbranche, NGOs und Biobauern.

Wien. „David gegen Goliath, das kommt gut an bei den Leuten“, sagt eine Journalistin fast entschuldigend in Richtung FMA-Chef Helmut Ettl. Schließlich kommt es nicht alle Tage vor, dass die österreichische Finanzmarktaufsicht sich genötigt sieht, wegen eines eher unbedeutenden mittelständischen Unternehmens eine Pressekonferenz einzuberufen. Der Grund: Heini Staudinger, streitbarer Schuhproduzent aus dem Waldviertel und Eigentümer der Firma GEA, weigert sich seit Wochen medienwirksam, auf die Forderung der FMA einzugehen, entweder seinen Privatanlegern drei Mio. Euro zurückzuzahlen oder sich eine legale Alternative für sein Bürgerbeteiligungsmodell zu suchen. Staudinger blüht in letzter Konsequenz eine Gefängnisstrafe, wenn er sich, wie angekündigt, weigert, von der FMA auferlegte Strafzahlungen zu berappen.

Nur die Spitze des Eisberges

Die Angelegenheit wäre für die FMA weniger brisant, wenn es sich bei Staudinger tatsächlich um einen Einzelfall handeln würde. Doch dieser ist nur die Spitze des Eisberges. In 39 ähnlichen Fällen ermittle die FMA derzeit in Sachen „illegale Bankgeschäfte“, sagt Ettl. Und das seien nur jene, die angezeigt wurden. Eine „Presse“-Recherche zeigt: Drei Branchen sind besonders betroffen: die Solarbranche, gemeinnützige Organisationen (NGOs) und Biobauern.

Hans Kronberger vom „Photovoltaik Austria Bundesverband“ bestätigt, dass das Modell der Bürgerbeteiligung in der Solarbranche gern praktiziert wird: „Die Materie ist noch relativ jung, aber die Nachfrage ist enorm.“ In Deutschland gebe es mit dem Genossenschaftsmodell eine legale Alternative. In Österreich bewege man sich derzeit mit fast allen Modellen im rechtlichen Graubereich: „Das Genossenschaftsmodell ist bei uns kompliziert und rechtlich nicht abgesichert.“ Die Finanzierung über Anleihen sei wiederum wegen der Prospektpflicht sehr kostspielig.

Ähnlich sieht das auch Norbert Miesenberger, Geschäftsführer der Helios Sonnenstrom GmbH. Seit Juni ermittelt die FMA gegen seine Firma: „Darlehensgeber beteiligen sich bei uns mit minimal 500 Euro für einen Sonnenbaustein, der einem ganz konkreten Dach zugeordnet ist. Unserer Meinung nach ist das kein Einlagenmodell. Das Geld verschwindet nicht irgendwo in der Firma, sondern wird transparent investiert.“ Auch Miesenberger sieht das Problem der rechtlichen Grauzone: „Deshalb haben wir unser Modell auch mit einem Anwalt entwickelt.“

Bei der NGO „Jugend eine Welt“ ist man indes erleichtert. Man habe sich mit der FMA auf das legale Finanzierungsmodell „Nachrangdarlehen“ geeinigt, hieß es am Montag. Damit haben private Anleger im Falle eines Konkurses im Vergleich zu anderen Gläubigern einen nachrangigen Anspruch auf die Konkursmasse. Mit dieser Lösung wird allerdings gerade jener Schutz der Privatanleger aufgeweicht, den die FMA als wesentliches Argument im Kampf gegen die bankenlose Unternehmensfinanzierung anführt.

Auch Biobauer Günther Achleitner hat bereits mit der FMA Bekanntschaft gemacht. Er finanzierte die Weiterentwicklung seiner „Biokiste“ mit Bürgerbeteiligung. Sein Darlehensmodell mit dreimonatiger Begrenzung sah für die Anleger vier Prozent Zinsen und einen „Naturalienrabatt“ vor. „Derzeit schaut es so aus, dass wir kurz vor einer Einigung mit der FMA stehen“, sagt Achleitner. Wie diese aussieht, will er vorerst nicht verraten. „Mein Eindruck ist, dass auch die FMA unschlüssig ist, wie man mit diesen Problemen umgehen soll.“

Robin Hood des 21. Jahrhunderts

Die FMA gab sich am Dienstag selbstsicher. Eine Gesetzesänderung sei nicht notwendig, es gebe genug legale Alternativen, so Ettl. Im Fall Staudinger sei undifferenziert berichtet worden. Straffällig habe er sich nicht mit seiner Solaranlagen-Finanzierung gemacht, die er in Form von Warengutscheinen zurückgezahlt habe. Illegal sei „nur“ Staudingers Sparverein. „Da wurden Gelder direkt auf das Firmenkonto eingezahlt und mit vier Prozent in Cash verzinst. Damit macht sich Staudinger strafbar“. Fotovoltaik-Spezialist Kronberger sieht die Sache etwas anders: „Für mich ist Heini Staudinger der Robin Hood des 21. Jahrhunderts.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.11.2012)

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