Knill: "Arbeiten muss mehr bringen als Nichtstun"

Arbeiten muss mehr bringen
Arbeiten muss mehr bringen(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Den Menschen gehe es auch ohne Job zu gut, meint Arbeitgebervertreter Christian Knill. Bewerber für Lehrstellen könnten oft nicht mehr schreiben und rechnen. Bei der Flexibilisierung sieht er "den Fuß in der Tür".

Die Presse: Sie wollten die Strukturen der Metaller-Lohnrunde von Grund auf verändern und sagten sogar: „Die Metaller-Lohnrunde ist Geschichte.“ Dann haben wieder alle sechs Fachverbände den gleichen Abschluss gemacht. Sind Sie komplett gescheitert?

Christian Knill: Unser Ziel waren eigenständige Verhandlungen, und die haben wir gehabt. Die Gewerkschaften haben gesagt, ihr könnt eigenständig verhandeln, aber die Abschlüsse sollen so nahe wie möglich beieinander bleiben. Die Lösung für sie war, nur über den Lohn zu verhandeln und alles andere wegzulassen.

Jetzt wurde Ihr Kernanliegen, die Arbeitszeitflexibilisierung, in einen Arbeitskreis verlegt. Es sieht aus, als würde sie dort verstauben.

Ja, dieses Thema haben wir nicht durchgebracht. Also die Frage, wie man sich bei der Arbeitszeit bewegen kann, wenn wir hohe Auftragsstände haben und was wir machen, wenn sie niedrig sind. Letztendlich haben wir aber eine Struktur, die seit 40 Jahren besteht, aufgebrochen. Hätten wir dieses Jahr auch noch alle unsere Forderungen durchgebracht, wäre das für die Gewerkschaft zu viel Machtverlust auf einmal gewesen.

Im Vorjahr gab es Streiks, auch heuer ist die Gewerkschaft offensiv in die Verhandlungen gegangen. Wie fühlen Sie sich eigentlich, wenn die Gewerkschaft von Anfang an das Gefühl gibt, dass Sie wenig zu melden haben?

Es ist ja nicht das erste Mal, dass wir mit der Gewerkschaft verhandeln, insofern ist es ja nichts Neues, dass sie stark auftritt. Aber ich glaube, das ist auch ein bisschen ein Rollenspiel. Für mich ist das Wichtigste das Auskommen mit dem Betriebsrat im Unternehmen. Was die Arbeitnehmer-Funktionäre machen, ist nicht so wichtig.

Ist das wirklich nur ein Rollenspiel? Die Flexibilisierung kommt in einen Arbeitskreis, der Lohnabschluss ist hoch. Ist die Gewerkschaft so stark und sind Sie so schwach?

Mit dem Abschluss können wir gerade noch leben. Die Arbeitszeitflexibilisierung ist ein langfristiger Prozess. Wichtig ist, dass wir den Fuß in der Tür haben. Die wirtschaftliche Lage wird sicher nicht einfacher im nächsten Jahr.

Wie haben Ihre Mitgliedsbetriebe auf den Abschluss reagiert?

Es waren alle glücklich, dass wir eigenständig verhandelt haben. Die Höhe passt den einen, den anderen nicht. Viele waren unzufrieden, dass wir bei der Flexibilisierung, die ja die Beschäftigung sichern soll, noch nichts weitergebracht haben. Die sitzen uns im Nacken und sagen: 2013 muss was rauskommen. Da werden wir uns von der Gewerkschaft nicht wieder abspeisen lassen.

Wir möchten noch über etwas anderes sprechen. Sie klagen regelmäßig über Fachkräftemangel. Warum bieten Sie den potenziellen Fachkräften eigentlich nicht einfach mehr Geld?

Sie wissen aber schon, dass wir im internationalen Wettbewerb stehen. Die gesamte Kostenstruktur im Unternehmen muss passen. Wie viel ich bezahlen kann, hängt davon ab, wie ich auf dem Markt positioniert bin. Und da kann man nicht unendlich viel zahlen. Wir zahlen als Maschinenbauer schon sehr viel mit 1600 EuroMindestlohn (brutto, Anm.). Facharbeiter erhalten bei uns im Durchschnitt 2000 Euro brutto pro Monat. Das ist deutlich höher als das, was ein Anwaltskonzipient bekommt.

Warum reicht es dann trotzdem nicht?

Bei der Lehre ist das Niveau des Personalangebots in den letzten Jahren leider gesunken. Es ist deshalb ein großes Anliegen von uns, dass in der Bildungspolitik endlich etwas verbessert wird.

Was konkret erwarten Sie von der Bildungspolitik? Was muss ein 15-Jähriger können?

Er muss zumindest ein bisschen Hausverstand haben, der deutschen Sprache in Wort und Schrift mächtig sein und auch ein wenig rechnen können. Es kann nicht sein, dass einer nicht einmal mehr einen geraden Satz schreiben kann. Das gilt auch für viele Jugendliche ohne Migrationshintergrund.

Warum hat sich das verschlechtert?

Ich halte es für ein Problem, dass wir keine Spezialisten wollen. Wir wollen, dass alle gleich und keiner besser ist. Es werden auch eher die Schwachen gefördert und nicht die Guten. Das Leistungsdenken ist sehr mangelhaft. Und zusätzlich wäre es wichtig, auch einen gewissen volkswirtschaftlichen oder betriebswirtschaftlichen Aspekt in die Bildung reinzubringen.

Sie haben das Problem ja nicht nur bei Lehrlingen, sondern auch bei Akademikern.

Bei den Akademikern ist das Problem, dass es in den technischen Berufen sehr wenige gibt. Dort müssen wir beim Image anfangen. In der Technik hat man die besten Zukunftschancen. Fakt ist, wenn ein Jugendlicher Jus oder BWL studiert sind seine Berufschancen einfach limitiert. Sie wären wesentlich besser, wenn er in eine Lehre geht oder etwas Technisches studiert. Doch während die Studentenzahlen bei Geistes- und Sozialwissenschaften explodieren, sind sie in der Technik um ein Drittel zurückgegangen.

Würde eine Studienplatzbeschränkung bei den Geistes- und Sozialwissenschaften helfen?

Ich glaube ja. Ein großes Thema ist die Dropout-Rate, die ist in der Technik bei über 80 Prozent. Darüber müssen sich auch die Universitäten Gedanken machen.

Sie suchen händeringend nach Lehrlingen, gleichzeitig gibt es immer mehr Jugendliche, die eine Lehrstelle suchen. Wird diese Gruppe der Jungen, die die steigenden Anforderungen nicht erfüllen, größer?

Die Anforderungen sind nicht größer geworden. Die Basis, der Hausverstand, hat sich verschlechtert. Wir müssen das akzeptieren und den Jugendlichen Deutschkurse, Mathematikkurse und sonst was anbieten, was einige Unternehmen auch schon machen. Ein Problem ist auch, dass viele freie Lehrstellen in ländlichen Regionen sind, es aber die meisten Suchenden im Ballungsraum Wien gibt.

Ist die Mobilität zu niedrig?

Wenn Sie es international vergleichen, sind wir da nicht sehr berauschend.

Geht es den Menschen zu gut, auch wenn sie keinen Job haben?

Ja, das glaube ich schon. Mobilität ist immer auch eine Frage davon, wie gut oder schlecht es dir geht. Nehmen Sie China, Indien. Da reist die ganze Familie tausende Kilometer, um einen Job zu bekommen. Und bei uns haben sie schon Schwierigkeiten, wenn jemand 50 Kilometer mit dem Auto fahren muss. Soziale Unterstützung ist absolut o.k., aber es darf nicht so sein, dass Nichtstun gleich oder besser bezahlt wird als Arbeiten. Das kann es nicht sein. Wo ist da die Motivation?

Auf einen Blick

Christian Knill (42) ist Obmann des Fachverbandes für Maschinenbau (FMMI) und Sprecher der Arbeitgeber in den Lohnverhandlungen. Der FMMI vertritt rund 1200 Betriebe mit 120.000 Beschäftigten. Knill führt zusammen mit seinem Bruder die in Weiz ansässige Knill Gruppe.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.11.2012)

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