Lebende Christbäume: "Wir töten keinen Baum"

Lebende Christbaeume
Lebende Christbaeume(c) Die Presse (Clemens Fabry)
  • Drucken

Weihnachten für faule Weltverbesserer: Zwei junge Wiener liefern lebende Christbäume und pflanzen sie nach dem Fest wieder in den Wald. Auf Lametta, schwere Kugeln und tropfende Kerzen muss man verzichten.

Werbung bildet, und dank Ikea wissen wir: Nach Weihnachten regnet es in Schweden tote Christbäume. Rechtzeitig zum Knut-Fest am 13. Jänner fliegen die ausrangierten Kerzenständer in hohem Bogen aus dem Fenster. Österreicher sind bei der Trennung von ihren Christbäumen weniger radikal, aber auch hierzulande landen im Winter Unmengen an abgestorbenen Bäumen auf der Straße. Allein in Wien sammelt die MA 48 jedes Jahr 600 Tonnen an toten Christbäumen ein und führt sie zum Verheizen ins Kraftwerk nach Simmering.

Wem jetzt schon das Herz blutet, keine Sorge. Rettung ist in Sicht. Denn Christbäume muss man weder schlagen noch verbrennen. Ja, man muss nicht einmal aufstehen, um sie zu kaufen. Zwei 25-jährige Wiener liefern lebende Christbäume frei Haus, holen sie nach den Feiertagen ab und pflanzen sie wieder in den Wald ein. Nur aufputzen muss man den Baum noch selbst. Das ideale Weihnachten für faule Weltverbesserer.

„Anfangs war es eine Schnapsidee“, sagt Katharina Lapin, Geschäftsführerin von Green Rabbit. Beim Grillen im Sommer haben sich die jungen Landschaftsplaner Gedanken gemacht, wie es die auftragsarme Zeit im Winter füllen könnte. Dass sie die Idee tatsächlich umsetzen würden, hätte an dem lauen Sommerabend aber niemand gedacht. Wenige Monate später steht die 25-jährige Gründerin und Boku-Absolventin in der Kälte am Rande des Wienerwalds. Um sie herum 600 eingetopfte Nordmanntannen, frisch geliefert von österreichischen und deutschen Baumschulen. „Wir sind besser vorbereitet, als es aussieht“, beruhigt sie. Aber überrascht ist sie vom starken Andrang schon. Nach den ersten zehn Tagen ist ein Drittel der Bäume, die sie heuer verkaufen wollte, bereits weg.

40.000 Plastikbäume

„Vor allem alte Leute freuen sich über das Angebot“, sagt Lapin. Viele wollen oder können einfach selbst keinen Baum nach Hause schleppen. Sie selbst hat andere Prioritäten: „Hauptsache, wir müssen keinen Baum töten.“ Das Interesse der Österreicher an der lebenden Alternative ist offenbar größer, als es die Statistik glauben macht. Von den 2,7 Millionen Bäumen, die sich Österreicher jährlich ins Wohnzimmer stellen, sind 2,4 Millionen gekaufte Schnittbäume aus heimischem Bestand. Österreichs Bauern verdienen damit über 50 Millionen Euro im Jahr. 160.000 Bäume fällen Österreicher selbst, 40.000 sind aus Plastik. Lebende Christbäume scheinen in der Statistik nicht auf, weil die Bauern sie kaum anbieten. „Die Nachfrage ist gering“, mutmaßt Arge-Sprecherin Verena Brandtner. Der Transport mit dem Topf sei aufwendig, und Kunden wären oft enttäuscht, wenn das Bäumchen die Festtage doch nicht überlebt.

Das soll sich nun ändern. Wer bei Green Rabbit seinen Baum im Internet bestellt, braucht nur noch zu warten. In der Woche vor Weihnachten wird der Christbaum geliefert. Nach 15 bis 18 Tagen im Warmen holt das Team den Baum wieder ab, um ihn einzupflanzen. Entweder im Garten des Kunden oder aber in einem eigens angelegten Feld im Norden von Wien. „Wenn der Baum beim Kunden überlebt, kann der im nächsten Jahr seinen eigenen Christbaum wieder haben“, sagt Roland Schmöger von Green Rabbit.

Der ökologische Nutzen ist gering, räumt Lapin ein. Zwar würden Christbaummonokulturen eingeschränkt, aber im Grunde gebe es in Österreich genug Wald. Wer Bio-Christbäume produzieren wolle, müsse alte heimische Arten wiederbeleben und auf Spritzmittel verzichten. „Bei uns geht es eher darum, dass der Baum nicht stirbt.“

Für die Mischung aus Bequemlichkeit und gutem Gewissen geben die Österreicher gern ein wenig mehr aus. Die 80 bis 150 Zentimeter hohen Bäume kosten zwischen 49 und 72 Euro. Eine geschnittene Tanne gibt es um zehn bis 35 Euro pro Laufmeter. Allerdings ohne Lieferung und Abholung.

Weihnachten im Sommer

Doch Geld allein reicht nicht, um mit Bruder Baum guten Gewissens Weihnachten feiern zu können. Damit die Tannen ihren Ausflug in die Wohnzimmer überleben, liefert Green Rabbit eine Bedienungsanleitung mit: Lametta und stark tropfende Wachskerzen sind verpönt. Der Baum darf nicht zu nahe an der Heizung stehen. Einmal am Tag sollte er mit Wasser besprüht werden. Der Weihnachtsstern auf der Spitze ist verboten, weil sonst die jungen Triebe kaputt werden. Allzu streng ist Green Rabbit mit den Kunden aber nicht.

„Natürlich rechnen wir damit, dass einige Bäume kaputt werden“, sagt Lapin. Abgeholt würde der Baum auch, wenn er nicht überlebt hat. Aber „schön wäre es schon“, sagt sie. Dafür muss man den Christbaum nicht aus dem Fenster werfen, sondern kann ihn wieder verwenden – und im Sommer sogar am Rande von Wien besuchen.

Green Rabbit

Lieferservice für lebende Christbäume
Die jungen Gartengestalter von Green Rabbit bieten ein Liefer- und Abholservice für lebende Christbäume. Nach dem Fest „übersommert“ der Baum in einem Feld nördlich von Wien. Wenn der Baum überlebt, erhalten Kunden im nächsten Jahr auf Wunsch denselben wieder. Green Rabbit liefert Bäume in den Größen 80 bis 150 Zentimeter um 49 bis 72 Euro in Wien Umgebung und in Graz aus.

Bestellungen können über greenrabbit.co aufgegeben werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.12.2012)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.