Das gefährliche Spiel mit den finanziellen Massenvernichtungswaffen

(c) EPA (KIMIMASA MAYAMA)
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Katastrophal gescheiterte Spekulationen wie jene in Salzburg laufen immer nach dem gleichen Strickmuster ab.

Wien. 340 Millionen Euro in Salzburg verzockt, 400 Millionen in Linz. Wien bei einer Franken-Finanzierung mit gut 200 Millionen unter Wasser, Niederösterreich mit der „Veranlagung“ von eigentlich für den Wohnbau bestimmten Mitteln im Eck und so weiter und so fort: Wie ungeschickt sind eigentlich „öffentliche Hände“ beim Geldanlegen? Und: Wie verzockt man 340 Mio. Euro einfach so?

Die Antwort zu Frage eins lautet: Sehr. Und zu Frage zwei: So wie überall auf der Welt. Wenn sich Gier mit Unwissen und Ahnungslosigkeit paart und auf der anderen Seite Skrupellosigkeit im Spiel ist, dann geschehen solche Dinge. Das bezieht sich jetzt nicht auf die „Finanzspezialistin“, die Salzburg da hineingeritten hat. Sondern auf deren Vorgesetzte bis hinauf zum Finanzlandesrat, die ihrer Beamtin grünes Licht für Spekulationsgeschäfte gegeben hatten, ohne auch nur den geringsten Schimmer davon zu haben, wie so etwas läuft und vor allem wie es zu kontrollieren ist.

Verträge mit mehreren hundert Seiten

Solche Zinstauschgeschäfte, wie sie etwa in Salzburg und Linz im Spiel waren, sind nicht einfache „Zinswetten“, wie das suggeriert wird, sondern hochkomplexe Deals, deren Details normalerweise in mehrhundertseitigen Verträgen festgelegt sind. Was da wirklich festgeschrieben ist, begreifen im Detail nur ganz wenige Spezialisten. Selbst viele Banker verstehen da nur noch Bahnhof, wie die zahlreichen Flops deutscher und österreichischer Landesbanken mit solchen strukturierten Produkten zeigen. Einer der wesentlichen Gründe für die Weltfinanzkrise 2008 war ja, dass wirklich niemand mehr wusste, was in den ganzen „toxischen“ Papieren, die da im Umlauf waren, eigentlich enthalten war.

Dazu kommt: Die sehr komplexen Regeln werden vom „Counterpart“ gemacht. Salzburg oder die ÖBB oder die Stadt Linz „wetten“ also gegen die Deutsche Bank oder die Bawag, um zwei Beispiele zu nennen – und spielen das Spiel dann nach Regeln, die von ihren „Wettpartnern“ aufgestellt wurden (und die sie selbst mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht verstehen). Es gibt nur wenige Beispiele, wo so etwas nicht danebengegangen ist.

Allerdings – und jetzt kommen die „operativen“ Akteure wie etwa die Salzburger Landesbeamtin ins Spiel – sind solche Produkte keineswegs auf die finanzielle Vernichtung des Wettpartners ausgelegt. Man muss solche Derivate nicht unbedingt aussitzen, sondern kann auch die Notbremse ziehen, wenn die Position gegen einen läuft. Professionelle Trader machen das normalerweise. Und zwar kompromisslos. Denn sie wissen: Derivate sind finanzielle Massenvernichtungswaffen, wenn man mit ihnen nicht verantwortungsvoll umgehen kann.

Notbremse heißt aber, dass man einen (meist noch überschaubaren) Verlust realisiert – und damit eingesteht. Und an dieser Stelle kommt häufig die Psyche der „operativen“ Akteure ins Spiel: Man hofft, den Verlust durch Gegenspekulationen wieder auszubügeln, beginnt zu vertuschen, gerät immer tiefer in die Malaise. Zum Schluss reagieren dann viele so wie der Spielsüchtige im Casino, der seine Einsätze immer mehr erhöht, je weiter er ins Minus rutscht – und damit sein letztes Hemd verspielt.

Und zwar nicht nur im öffentlichen Bereich: Auf diese Art hat beispielsweise der Händler Nick Leeson die ehrwürdige Barings Bank versenkt und der französische Trader Jerome Kerviel ein 4,8-Mrd.-Euro-Loch in die Bilanz der Société Générale gerissen. Und zwar so, dass die hoch spezialisierten Risikoabteilungen viel zu spät erkannten, welche Bomben da in ihren Handelsräumen tickten. Da wäre es von biederen älplerischen Landesräten und Bürgermeistern ein bisschen viel verlangt, in diesem Haifischbecken mitzuschwimmen, ohne gefressen zu werden. Verantwortlich für das Schlamassel sind sie trotzdem. Denn die erste Regel im Kurs „Investing for Dummies“ lautet, nie Geld in ein Finanzprodukt zu investieren, das man nicht bis in den letzten Winkel versteht.

Schranken für die „Gamsbart-Zocker“

Hannes Androsch, Aufsichtsratschef der Staatsbankenholding Fimbag, schlägt deshalb im „Presse“-Gespräch vor, Ländern und Gemeinden nur noch stockkonservative Geldeinlagen (etwa bei der Nationalbank) zu erlauben. Für die mit allen Wassern gewaschenen Wettpartner der glücklosen heimischen Gamsbart-Zocker hat er auch einen Tipp parat: Die müssten „langweiliger“ werden. Dass etwa eine Deutsche Bank 85Prozent ihres Gewinnes im hochspekulativen Bereich mache – das sei keine gesunde Basis für die Finanzwelt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.12.2012)

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