Salzburg: 'Kontrollierte Sprengung' einer Fehlspekulation

Land Salzburg kontrollierte Sprengung
Land Salzburg kontrollierte Sprengung(c) APA (Barbara Gindl)
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Als im Juli diesen Jahres Monika R. die Bankvollmacht entzogen und sie beurlaubt wurde, brach in den Treasury-Abteilungen der Banken Panik aus. "Die Presse" sprach mit Bankern, Juristen und Finanzexperten.

Wien. „Plötzlich war sie nicht mehr unser Ansprechpartner.“ Als im Juli diesen Jahres in der Salzburger Finanzverwaltung der 41-jährigen Monika R. die Bankvollmacht entzogen und die Referatsleiterin in den Zwangsurlaub geschickt wurde, brach in den Treasury-Abteilungen vieler Banken regelrecht Panik aus. Unter Zusage ihrer Anonymität sprachen involvierte Banker, Juristen und Berater mit der „Presse“ über den Salzburger Finanzskandal. Und sie kommen unisono zu einem Ergebnis: Der Fall ist in Österreich einzigartig. Und die Politik wusste über die riskanten Geschäfte Bescheid.

„Der Fall unterscheidet sich etwa grundlegend von der Finanzaffäre der Stadt Linz“, betont ein Jurist. Zwar geht es in beiden Fällen um gigantische Summen: 340 Millionen Euro hier, 450 Millionen dort. Zwar wurde in beiden Fällen hochriskant spekuliert: Doch in Linz wollte sich die Stadt gegen ein Kreditzins-Risiko absichern. Das ging aufgrund von „Dummheit und Überheblichkeit“ schief. Der zuständige, mittlerweile abgelöste Finanzdirektor war mit der Absicht, einen Fixzins-Swap abzuschließen, in die Verhandlungen mit der Bawag eingetreten und kam schließlich mit einem Derivativgeschäft heraus, für das Gutachter Christian Imo 200 Seiten benötigte, um es zu erklären.

„Monika R. war ein Vollprofi“

„In Salzburg war mit Monika R. ein Investment-Treasury-Vollprofi am Werk“, konstatiert ein Insider. Nicht umsonst habe es Abwerbungsversuche gegeben. R. soll von der Deutschen Bank umgarnt worden sein. Warum sie dieses vermutlich lukrative Angebot nicht angenommen hat, scheint mittlerweile auf der Hand zu liegen. Sie hatte wohl 340 Millionen Gründe. In Salzburg sei allen – auch den Politikern seit Langem klar gewesen, dass die Finanzgeschäfte einzig und allein dazu dienten, Geld zu verdienen. „Da wurden Derivativgeschäfte abgewickelt, die mit der Finanzgebarung eines Landes nichts zu tun haben“, meint ein Insider. Und die Rede ist nicht von dem Schatten-Portfolio, das Monika R. aufgebaut hatte, um ihre Spekulationsverluste zu verbergen.

Auch das offizielle, vom Landtag abgesegnete, vom Rechnungshof geprüfte Portfolio habe es in sich gehabt. Da wurde munter auf den Neuseeland-Dollar spekuliert. Noch im November sprach Finanzlandesrat David Brenner (SPÖ) in einer Anfragebeantwortung von Devisentermingeschäften und Zins-Swaps. Im Budgetbeschluss 2010 des Landes Salzburg ist von „Abgeleiteten Geschäften“ die Rede, die nichts anderes bedeuten als Finanzspekulation zum Ziele der Geldvermehrung.

Im Finanzbeirat des Landes, der diese Geschäfte kontrollierte, saßen Experten erster Güter, konstatiert ein Bankberater der „Presse“. Tatsächlich sei das Risikomanagement sehr professionell gewesen. Vor allem ab 2006 sei das Risiko eingedämmt worden. Trotzdem: „Diese Geschäfte gehören in eine Investmentbank und nicht in eine Landesregierung“, kritisieren Experten unisono. Und so mancher vergleicht Monika R., für die die Unschuldsvermutung gilt, auch mit Personen wie Jérôme Kerviel, Kweku Adoboli oder Nick Leeson. Die drei Investmentbanker haben Milliarden verzockt. Kerviel versenkte 4,8 Mrd. Dollar der Société Générale. Kweku Adoboli riss der Schweizer UBS ein 2,3-Mrd.-Dollar-Loch. Und Nick Leeson verspekulierte einst 825 Millionen Pfund und damit die ganze Barings Bank.

Banker weisen Schuld von sich

Auch Monika R. habe wie eine Investmentbankerin agiert. „Ihr wurden keine Produkte angeboten, sie hat gezielt ausgewählt“, beschreibt es ein involvierter Experte. Die Verteidigungslinie der Banken scheint also klar. „Hier hat kein Beratungsfehler stattgefunden.“ Dieses Argument, das Kommunen und Konzerne in ihren Gerichtsverfahren gegen die Banken anführen, treffe im Fall Salzburg keineswegs zu.

Es heißt sogar, dass einige Banken aufgrund der Schieflage des Landes gar nicht mehr mit Monika R. ins Geschäft kommen wollten. Auf die Frage, ob die Transaktion nicht doch etwas zu riskant sein könnte, soll die Referatsleiterin geantwortet haben: „Das können Sie gar nicht beurteilen, weil Sie mein Gesamtportfolio nicht kennen.“

Bereits im Oktober 2008 habe – wie berichtet – eine Regionalbank Alarm geschlagen und den Chef der Finanzverwaltung, Eduard Paulus, darüber informiert, dass das Land allein bei dieser Bank 30 Millionen Euro in der Kreide stand. Paulus stellt dieses Treffen im Gespräch mit der „Presse“ in Abrede.

Nun berichten Banker, dass dies kein Einzelfall war. Dass mehrere Institute über die Buchverluste informiert hätten. Unter Buchverlust ist jener Betrag gemeint, den das Land zahlen müsste, wenn es sofort aussteigt und nicht weiterspekuliert und hofft, dass sich die Lage bessert.

Warum alles nur auf Beamtenebene abgelaufen ist, warum keine Bank die zuständigen Politiker informiert habe? Darüber schweigen die Bankexperten. „Man will ja weiterhin Geschäfte machen“, heißt es. „Wir sind davon ausgegangen, dass auf Vorstandsebene auch mit der Politik gesprochen wurde“, meint man anderswo.

Seit zwei Jahren sei den meisten in der Branche klar gewesen, dass in Salzburg etwas schiefläuft. Dass das Land gleich bei 34 Geldinstituten spekuliert hat, überrascht Insider nicht. Finanzlandesrat Brenner habe erst im Oktober im Salzburger Landtag erklärt, dass das Land mit 16 Banken Geschäftsbeziehungen pflege.

Seit dem Sommer rechneten die Mitarbeiter in den Treasury-Abteilungen mit dem großen Knall. Am 6. Dezember war dieser zu vernehmen. „Das war eine kontrollierte Sprengung“, sagt ein Jurist. Die Politik habe den richtigen Zeitpunkt abgewartet, um an die Öffentlichkeit zu gehen. Als der Rechnungshof an diesem Tag einen wohlwollenden Bericht über die Salzburger Finanzverwaltung veröffentlichte, war dieser Moment gekommen. Nun konnte man behaupten, dass man ebenfalls hinters Licht geführt worden sei.

Und jetzt? In Salzburg wird es vorgezogene Wahlen geben. „Wer trifft die Entscheidungen, wenn die Parteien sich im Wahlkampf gegenseitig befetzen?“, fragt einer. Und es werden viele und schwierige Entscheidungen auf die Salzburger Landespolitiker zukommen. Wichtig sei nun ein „kontrollierter Ausstieg“, betont ein Jurist. Jeglicher politische Druck, etwa schnell aus den Verträgen auszusteigen, sei kontraproduktiv.

„Alle Heuschrecken dieser Welt wissen, dass Salzburg nun in der Klemme steckt. Und das treibt die Preise ordentlich in die Höhe“, sagt ein Finanzexperte.

Siehe auch Seite 3

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.12.2012)

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