Das niederösterreichische Wohnbaugeld-Voodoo

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niederoesterreichische WohnbaugeldVoodoo(c) APA HERBERT P OCZERET (HERBERT P OCZERET)
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Wie in Salzburg wurden in St. Pölten Millionen verloren, auch wenn die Politik das nicht wahrhaben will. Eine Analyse.

Wien. Seit dem Auffliegen des Salzburger Spekulationsskandals sind auch die Aktivitäten anderer Bundesländer wieder stärker ins Visier der Öffentlichkeit geraten. Eines davon ist Niederösterreich, das bereits 2002 mit Mitteln der Wohnbauförderung an die Finanzmärkte ging, um dort zusätzliche Erträge für das chronisch klamme Landesbudget zu erwirtschaften. Laut den verantwortlichen Landespolitikern eine glasklare Erfolgsgeschichte. So erklärte erst am Sonntag der niederösterreichische Landeshauptmann Erwin Pröll (ÖVP) im „Kurier“: „Unterm Strich haben wir uns rund eine Milliarde Euro als Ziel gesteckt, 824 Millionen Gewinn sind es bis heute geworden. Das entspricht einer Verzinsung von rund drei Prozent in den vergangenen zehn Jahren. Ich kann nur allen wünschen, dass ihnen in Zukunft so ein Geschäft gelingt.“

Die Darstellung des Landeshauptmanns ist dabei einigermaßen interessant. So erklärte etwa sein Stellvertreter und Finanzlandesrat Wolfgang Sobotka erst vor einer Woche bei der Präsentation des Jahresergebnisses der Vermögensverwaltungsgesellschaft Fibeg, dass Niederösterreich die Gelder seit Beginn der Veranlagung mit durchschnittlich 2,2 Prozent verzinst hatte – Prölls Aufrundung dieses Wertes auf drei Prozent ist somit doch etwas gewagt.

Aber auch der genannte Gewinn von über 800 Mio. Euro lässt einigen Interpretationsspielraum offen. So wurde laut Fibeg-Jahresbericht im per 31.Oktober abgelaufenen Geschäftsjahr ein Veranlagungserfolg von 194,1 Mio. Euro erzielt. Laut jüngstem Rechnungshofbericht vom 6.Dezember – der medial etwas unterging, da an diesem Tag die Salzburger „Bombe“ explodierte – betrug der kumulierte Veranlagungserfolg der Fibeg exklusive dieses erst kürzlich abgelaufenen Geschäftsjahres 408,7 Mio. Euro. In Summe also 602,8 Mio. Euro über die gesamte Laufzeit der Veranlagungen.

Warum geben die Vertreter Niederösterreichs aber mehr als 800 Mio. Euro (im Fibeg-Bericht sind es 803,1 Mio. Euro, bei Pröll 824 Mio. Euro) als Gewinn an? Die Differenz ergibt sich aus Garantieprämien, die eine von Niederösterreich für dieses Geschäft eigens gegründete Sonderfinanzierungsgesellschaft in das Landesbudget überwiesen hat. Inwieweit diese Zahlungen als „Veranlagungserfolg“ zu werten sind, ist aber fraglich. Der Rechnungshof sagt dazu beispielsweise Nein.

Gewinne? Ja, aber nicht genügend

Es soll hier aber nicht kleinlich um ein paar Millionen auf oder ab diskutiert werden. Denn in Summe gab es ja keine Verluste, sondern auf jeden Fall Gewinne, wie man in St. Pölten nicht müde wird zu betonen. Es sei lediglich die ursprünglich anvisierte Rendite von jährlich fünf Prozent nicht erreicht worden. Aber nur, weil man sich einst die Ziele etwas zu hoch gesetzt habe, sei das ganze Geschäft ja nicht schlecht.

Diese Argumentation klingt logisch und dürfte angesichts der bevorstehenden Wahlen auch viele Stimmbürger beruhigen. Sie ist aber nicht richtig. Denn das einst angepeilte Ziel von fünf Prozent per anno hatte einen handfesten Grund: Niederösterreich veranlagte nämlich Geld aus noch ausständigen Wohnbaudarlehen. Um auf dieses Geld sofort zugreifen zu können, mussten diese Darlehen auf den Barwert „abgezinst“ (mit rund 4,6 Prozent pro Jahr) verkauft werden – ihr Wert halbierte sich also beinahe von etwa acht auf 4,4 Mrd. Euro. „Der dem Land – nach Abzug sämtlicher Kosten und der Garantieprämie des Landes – zugeflossene Emissionserlös muss sich daher mit mindestens 4,6 Prozent p.a. verzinsen, damit dem Land wirtschaftliche Vorteile erwachsen“, schrieb der Rechnungshof daher bereits 2010 in seinem Bericht über die Veranlagungen Niederösterreichs.

Weiter hieß es: „Bei der Beurteilung war zu berücksichtigen, dass die Rückflüsse aus den Darlehen praktisch unbeeinflusst von der Kapitalmarktentwicklung waren, während die angestrebten Veranlagungserträge einem erheblichen Risiko unterlagen.“

Somit ist jeder Veranlagungserfolg unter den einst anvisierten fünf Prozent pro Jahr natürlich ein handfester Verlust für das Land Niederösterreich. Laut Rechnungshof bisher etwa eine Milliarde Euro. Denn ohne den Verkauf von abgezinsten Darlehen hätte das Land aus einer sicheren Quelle eben mehr Geld bekommen. Dies dürfte auch den Politikern in St. Pölten bewusst sein, von denen neben der ÖVP auch jene der SPÖ und FPÖ einst für diese Spekulationen gestimmt haben. Angesichts der bevorstehenden Wahl dürften die Niederösterreicher aber noch das Märchen von der „Erfolgsgeschichte“ hören.
Faymann zu Pröll-Forderungen Seite 3

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.12.2012)

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