Gutachten: "Linz war über Risken informiert"

Linz ueber Risken informiert
Linz ueber Risken informiert(c) Clemens Fabry
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Die Bawag habe der Stadt Linz oft angeboten, aus dem Swap auszusteigen. Durch Untätigkeit der Linzer soll der Schaden nun auf 417 Mio. Euro explodiert sein.

Wien/Höll. Nach Auffliegen der Salzburger Spekulationsgeschäfte ist der Streit zwischen der Stadt Linz und der Bawag über riskante Finanztransaktionen ein wenig in Vergessenheit geraten. Doch nun hat die Bawag der Staatsanwaltschaft Dokumente vorgelegt. Darin werden die Verantwortlichen der Stadt Linz belastet. Bei der Auseinandersetzung geht es um den „Swap 4175“, eine komplizierte Franken-Zinsspekulation. Was als Absicherungsgeschäft gedacht war, entwickelte sich für die Linzer zum Desaster mit einem Verlust von bis zu 417 Mio. Euro.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen einen früheren Linzer Finanzdirektor und Finanzstadtrat, Johann Mayr (SPÖ), sowie gegen „unbekannte Täter“ im Bawag-Umfeld. Die Betroffenen bestreiten alle Vorwürfe. Es gilt die Unschuldsvermutung. Aus den nun vorgelegten Dokumenten geht hervor, dass die Linzer rechtzeitig die Notbremse hätten ziehen können. Nach Ausbruch der Finanz- und Wirtschaftskrise unterbreitete die Bawag der Stadt Linz im Mai 2008 ein konkretes Restrukturierungsangebot.

Bawag gegen Justizgutachter

Wenige Monate später, im November 2008, habe man „die Stadt Linz umfassend über den Ist-Stand und das damals aktuelle Risiko“ aufgeklärt, schreiben die Bawag-Anwälte den Justizbehörden. Wieder habe es Vorschläge zur Restrukturierung gegeben. Damals lag der Swap mit 62 Mio. Euro im Minus. Doch die Linzer stiegen auf die Bawag-Angebote nicht ein, sondern ließen die Transaktion weiterlaufen.

Daneben schießen sich die Bawag-Anwälte auch auf das von der Staatsanwaltschaft in Auftrag gegebene Gutachten von Christian Imo ein. Dieser kam Ende Oktober in einer 404 Seiten umfassenden Expertise zum Ergebnis, dass der Swap „ein deutlich asymmetrisches Gewinn-Verlust-Profil“ aufweise. Für Linz habe es ein relativ begrenztes Gewinnpotenzial gegeben, aber sehr hohe Verlustpotenziale, „die in den Extrembereichen existenzgefährdende Ausmaße erreichen können“. Die Bawag ließ nun bei Thomas Heidorn, Professor an der Frankfurter School of Finance, ein Gegengutachten erstellen. Dieser behauptet, die Analyse von Imo sei „durch Programmierfehler gekennzeichnet, die seine Ergebnisse unbrauchbar machen“. So mancher Fehler sei laut Heidorn „einfach nur peinlich“.

Einmal hätte Imo zwar eine richtige Formel für die Berechnung des Swaps ausgewählt, diese Formel dann aber falsch in einem Rechenprogramm umgesetzt. Deshalb sei Imo auf ein falsches Ergebnis gekommen. Die Bawag-Anwälte behaupten, dass Imo „vom Beginn seiner Tätigkeit eine vorgefasste Meinung“ vertreten habe. Imo soll zu einem Bawag-Mitarbeiter gesagt haben: „Ihr werdet sehen, ihr werdet aufgrund der öffentlich-rechtlichen Vorschriften die Sache verlieren und ihr habt in einem Verfahren hier keine Chance.“ Erst nach einer Nachdenkpause habe er hinzugefügt, dass dies letztlich ein Richter werde klären müssen.

Imo bestreitet in einer Stellungnahme vehement, dass seine Meinungsbildung zu Beginn seiner Tätigkeit bereits abgeschlossen gewesen sei.

Die Bawag-Anwälte stellten bei der Staatsanwaltschaft den Antrag, Imo möge in seinem Gutachten die „aufgezeigten Widersprüche und Mängel“ beseitigen oder die Justiz möge einen weiteren Sachverständigen hinzuziehen.

Muss der Steuerzahler zahlen?

Für den Anwalt der Stadt Linz, Lukas Aigner, hat das Privatgutachten „keine Relevanz“, weil es unvollständig sei und am Thema vorbeigehe. Der von der Bawag beauftragte Professor Heidorn sei in Österreich gar nicht als gerichtlich beeideter Sachverständiger zugelassen. „Offenbar hat die Bawag keinen gerichtlich beeideten Sachverständigen gefunden, der ihren Standpunkt unterstützt“, so Aigner. Für Linz sei es „inakzeptabel, dass die österreichischen Steuerzahler für die Fehlberatung und Fehlspekulation der Bawag zur Kasse gebeten werden sollen“.

Neben dem Gutachterstreit läuft gerade ein Mediationsverfahren zwischen Linz und der Bawag.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.12.2012)

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