"Männer führen zu lassen ist sehr bequem"

Beraterin Maenner fuehren lassen
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Für die Unternehmensberaterin Antonella Mei-Pochtler ist eine gesetzliche Frauenquote ein Eingriff, der nichts bringt. Frauen müssten mit anderen Mitteln in die Führungsetage gebracht werden.

Nach langem Hin und Her wurde unlängst der Luxemburger Yves Mersch in das Führungsgremium der Europäischen Zentralbank berufen. Der 23 Köpfe zählende Rat besteht nun aus 23 Männern. Ist das ein Problem oder wurde das zu einem Problem gemacht?

Antonella Mei-Pochtler: Es ist das Symptom für ein Problem. Das Problem liegt nicht so sehr darin, dass keine Frau im EZB-Direktorium sitzt. Sondern darin, dass es keine funktionierende Systematik gibt, die sicherstellt, dass talentierte Frauen in führende Positionen kommen. So wie die Frage ja auch nicht ist, ob genug Frauen in Aufsichtsräten sitzen. Sondern, ob Frauen gezielt dahingehend entwickelt werden, Aufsichtsratsarbeit zu erledigen. Aber natürlich hätte man schon jetzt Frauen für den Job in der EZB gefunden. Es gibt in Banken ja etliche Frauen in führenden Positionen.


Man wollte also nicht?

Die Diskussion wurde viel zu spät gestartet. Zu einer Zeit, als schon ein sehr guter Kandidat für den Job gefunden war (Yves Mersch, Anm.).


Nun gehen mehr Frauen von den Universitäten ab als Männer, meist auch mit den besseren Abschlüssen. In die oberste Ebene von Firmen schaffen sie es aber nur selten. Liegt das nur daran, dass Frauen Kinder kriegen?

Es dauert in Europa zwischen zehn und 15 Jahren, um jemanden in eine Führungsfunktion zu bringen (ab Beginn des Studiums, Anm.). Ein besonders kritischer Lebensabschnitt ist dabei nach wie vor die Zeit, in der Frauen Kinder kriegen. Wenn Frauen der Wiedereinstieg nicht systematisch ermöglicht wird, fliegen sie aus der Kurve. Und genau das passiert.

Aus Sicht des Ex-Personalchefs der Deutschen Telekom, Thomas Sattelberger, sind Förderprogramme zum Wiedereinstieg von Frauen reine Augenauswischerei. Nur die Einführung einer Frauenquote würde wirklich helfen. Ist das so?

Das glaube ich nicht. Natürlich hilft eine Quote, wenn sie von den Unternehmen freiwillig festgelegt wird. Aber ohne Förderprogramme ist die Quote nichts wert. Wohingegen Förderprogramme auch ohne Quote viel bewegen können.

Wenn dem so ist, stellt sich natürlich die Frage, warum sich bei Beratungsunternehmen kaum Frauen in der ersten Ebene finden. Bei der Boston Consulting Group sind in Deutschland und Österreich von 90 Partnern gerade einmal acht Frauen.

Das liegt vor allem daran, dass unser Beruf durch extrem hohe Reisezeiten und lange Abwesenheit von der Familie geprägt ist. Bevor Frauen Partner werden, sind sie Projektleiter. Und das ist altersmäßig jene Zeit, in der sie Kinder bekommen. Hinzu kommt, dass uns viele Frauen von Unternehmen abgeworben werben, die den Frauenanteil in der Führungsebene erhöhen wollen und geregeltere Arbeitszeiten mit niedrigerer Reisetätigkeit bieten als wir. Das versuchen wir zu verbessern.

Inwiefern?

Indem Mitarbeiterinnen zwei Tage in der Woche gesichert zu Hause sein können und am Abend nicht immer am Blackberry hängen müssen. Das ist übrigens auch für Männer ein Problem.

Das scheint ja eher ein kulturelles Problem zu sein. Wer lange bleibt, gilt als harter Arbeiter – und nicht als ineffizient.

Stimmt. Da ist man andernorts auch schon deutlich weiter. Nach acht Uhr abends sind die Büros bei unseren skandinavischen Kollegen leer, während bei uns bis zum Umfallen gearbeitet wird.

In unseren Breiten gibt es aber auch sehr viele Frauen, die keine Kinder haben und dennoch keine Karriere machen. Warum?

Weil viele das auch nicht wollen. Zudem ist es sehr bequem, Männer führen zu lassen. Und sie die Konflikte austragen zu lassen. Frauen sind eben auch lebensweiser als Männer.


Dann hat doch jeder, was er will.

Nein, weil der Wirtschaft zu viel intellektuelles Potenzial verloren geht, wenn talentierte Frauen nicht in die Führungsebene aufrücken.

Also doch eine Quote?

Die Quote ist das allerletzte Mittel. Unternehmen sollten von sich aus das Potenzial ihrer weiblichen Mitarbeiter orten und heben. Indem sie systematisch sicherstellen, dass sie in entsprechende Führungspositionen kommen. Und indem sie gezielt mehr Frauen ins mittlere Management bringen, die dann in die erste Reihe aufrücken können.

Interessant, wie sehr Sie sich als Frau gegen eine Frauenquote wehren.

Ich habe eine automatische Aversion gegen einen so starken Eingriff des Staates in das Innenleben von Unternehmen. Zudem wäre eine derartige Regulierung auch ein Armutszeugnis für jede wertorientierte Führung. Aber ich bin sehr dafür, dass Unternehmen von sich aus eine realistische Frauenquote einziehen. Und sich die Frage stellen, was sie tun müssen, um diese auch zu erreichen.

Allerdings ist es auch nicht immer sehr einfach, Frauen dazu zu bewegen, Führungsarbeit zu leisten. Frauen finden deutlich mehr Gründe, warum sie etwas nicht können, als Männer das tun.

Die Selbstzweifel von Frauen sind enorm. Das kontinuierliche Sich-selbst-Hinterfragen ist bei Frauen stärker als bei Männern. Aber es ist hingegen ja auch nicht schlecht, wenn es Menschen gibt, die differenzierter sind. Das ändert nichts daran, dass die Karriere auch eine Holschuld ist. Frauen müssen das auch wollen. Fordern sie allerdings den beruflichen Aufstieg ein, wird das gleich als „pushy“ ausgelegt. Von Männern wird es erwartet.

Während Frauen erwarten, dass die Vorgesetzten ihren Einsatz sehen und ihnen von sich aus mehr Geld zahlen.

Tatsächlich verlaufen Mitarbeitergespräche mit Frauen ganz anders. Frauen gehen hin, um zu hören, wie toll sie sind. Sie kommen selten mit Forderungen an. Sie reagieren auch viel stärker auf die nicht pekuniäre Wertschätzung ihres Umfelds, weil ihnen das auch deutlich wichtiger ist.

Steckbrief

1976 maturiert die gebürtige Italienerin an der deutschen Schule in Rom. Ein Jahr später beginnt sie in München mit dem BWL-Studium. Nach dem Abschluss folgt die Promotion in Rom, danach hängt sie einen MBA an der französischen Business-Schule Insead an.

1984 startet Mei-Pochtler ihre berufliche Laufbahn bei der Boston Consulting Group (BCG) in München.

1990 wird sie in der BCG zur Partnerin gewählt, sieben Jahre später eröffnet sie das Wiener Büro der Gruppe.

2003 wird sie in das europäische Management-Team von BCG berufen, zwischen 2008 und 2011 war sie zudem Mitglied des weltweiten Executive Committee der Gruppe.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.12.2012)

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